Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
aufgespart. Aber dann fand er sich mit seiner Aufgabe ab und begann langsam an der Bergschulter entlangzutraben. Manchmal wurde er noch langsamer und fiel in Schritt. Er mußte nachdenken, schauen, und war immer noch verkrampft vor Erschöpfung.
Zu dieser Zeit öffnete der Krugistoran endlich die Tür des Palastes, den Nebeneingang zur Küche, ein kleines Stück. Draußen waren Leute, gingen ihren Geschäften nach. Er trat auf die Straße und ging auf die Soldaten am Tor zu, um sie anzusprechen. Sie bogen um die Ecke und waren verschwunden, als er endlich so weit gekommen war. Er schrie. Ein paar Köpfe drehten sich, er hörte jemanden lachen. Ein Mann kam die Straße herunter und schob einen mit Steinen beladenen Karren. Der Krugistoran stand ihm im Weg. Der Mann versuchte ruhig, um ihn herumzuge-hen. Der Krugistoran rückte nach und stellte sich vor ihn hin. Der Mann blieb stehen, sah ihn an, dann setzte er den Karren ab und ging die Straße zurück.
Der Krugistoran versteifte sich, dann nahm er einen Stein vom Karren und warf ihn nach dem Rücken des Mannes, verfehlte ihn aber weit. Er kippte den Karren um und verstreute die Steine, aber der Mann ging einfach weiter. Der Krugistoran schrie ihn an.
»Lippini«, sagte eine vertraute Stimme hinter ihm.
So hatte den Krugistoran seit vielen Jahren niemand mehr genannt. Er drehte sich langsam um. Es war Acco, in einem einfachen Farmkleid, mit einem Bündel. »Lippini, man hat mir gesagt, daß es in Ilet ein paar leere Sklavenhäuser gibt, und daß wir dort unbehelligt leben und arbeiten können.«
»Sklavenhäuser!« brüllte er.
»Schrei nicht«, sagte sie leise. »Es ist alles vorüber.
Du solltest lieber tun, was sie sagen, sonst gehe ich ohne dich weiter. Ich bin hier nicht sehr beliebt, wie du dir vielleicht vorstellen kannst, obwohl ich nicht sagen kann, daß ich ganz allein für mein Schicksal verantwortlich bin. Man muß mit seinem Leben zufrieden sein.«
»Ich werde nie gehen«, sagte Lippini, und der Atem kam schwer aus seinem runden, roten Gesicht.
»Dann gehe ich allein«, sagte Acco. Sie wollte die Straße hinaufgehen.
Lippini sah ihr nach, dann sagte er: »Warte, warte!«
– und folgte ihr langsam und gewichtig, sie betrachtete ihn mit ruhigem Blick, ohne zu lächeln.
Tia und die anderen hatten sich nach Norden wenden müssen, weil auf den höhergelegenen Gebieten noch tiefer Schnee lag. Prestiginagi wehrte sich dagegen, sah aber schließlich ein, daß die einzige Zuflucht, derer er sich überhaupt sicher sein konnte, bei den Primitiven im Norden lag, bei den Dorfbewohnern von Forman. Er behielt Tia im Auge und wies seinen Neffen an, sie nicht fortgehen zu lassen. Und dabei verließen sie sich alle auf sie. Sie saß auf jedem Stein genauso bequem wie früher an ihrem Tisch unter dem hohen Fenster in einem Raum, den das Können der besten Handwerker der Emeri ausgepolstert hatte. Sie angelte Forellen und fing ein Kaninchen in der Schlinge. Da sie nicht an den Bogen gewöhnt war, konnte sie damit kein Wild erlegen, aber sie hatte den Wächter so sicher zu einer Kaninchenhöhle geführt, als hätte sie eine Landkarte.
Am Abend zuvor hatte sie Prestiginagi mit ihren astronomischen Kenntnissen in Erstaunen versetzt und ihn nur ausgelacht, als er versuchte, ihr zu wi-dersprechen. Dann hatte sie ihm im Schein des kleinen Feuers die Bewegungen der wandernden Him-melskörper aufgezeichnet, mit einem natürlichen Verständnis und einer Genauigkeit im Detail, die, wie er erkannte, weit über jedes Wissen hinausgingen, das die Emeri besaßen. Sie hatte ihnen gezeigt, wie man in der kalten Nacht nahe beieinander schlief, wobei sie sich vorsichtshalber zwischen Presti und Escripti legte und den jungen Mann vor sich hatte.
Prestiginagi hatte ihr gegenüber zwiespältige Emp-findungen. Er war zutiefst ein Emer. Sie kam aus einem feindlichen Stamm. Sie war gerissen und schwierig, wußte, was sie wollte und dachte nicht im Traum daran, sich geistig unterzuordnen. Aber ihr guter Wille, ihre Schönheit und ihr sprühender Verstand zogen den alten Mann an, und als er in der Nacht spürte, wie sie zitterte, legte er den Arm um sie, und sie nahm seine Hand und hielt sie so unschuldig fest wie ein Kind. Prestiginagi fror selbst, aber er dachte nicht daran, sich zu bewegen, obwohl er über sich selbst lachen mußte, weil er sich so verhielt.
Es war eigentlich kein Zufall, daß Jestak auf ungefähr dem gleichen Weg nach Süden kam, den sie nach Norden gingen. Die
Weitere Kostenlose Bücher