Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
jenes menschlichen Lebens mit dem, was man von Gott begreift, führt dazu, daß man Güte in das Leben der Erde trägt.«
Er hatte nichts gesagt. Jetzt fragte er sich, was das mit seinen jüngsten Erlebnissen zu tun hatte. Sie schienen nichts als mörderisch zu sein. Und doch wußte er, daß die Sache selbst gerecht war. Freiheit zu schenken ist doch eine gute Sache, nicht wahr?
Und was ist mit den getöteten Wachen und der Kavallerie? Das war nicht gut. Aber schließlich hatten die sich mit den Unterdrückern verbündet. Natürlich hatten sie das nicht so gesehen. Bei der Gesellschaft, in die sie hineingeboren waren, hatten sie wenig Chancen, die Dinge anders zu sehen.
Jestak hatte erlebt, wie sich Waschbären und Dach-se so verteidigten, daß Präriewölfe und wilde Hunde sie schließlich in Ruhe ließen, obwohl die Raubtiere in einem Kampf alle Vorteile auf ihrer Seite hatten.
Vielleicht konnten es die kleinen westlichen Banden von Ottan und seinesgleichen jetzt ähnlich machen.
Es wäre zu kostspielig für die Emeri, sie anzugreifen, also würden sie sie vielleicht zufriedenlassen. Das wäre eine gute Sache. Vergleichsweise gut.
»Die Verschmelzung all dieser getrennten Völker zu einem Volk, ohne Trennungslinien, ohne Grausamkeit, ist eine große Aufgabe.« Das hatte Arthil gesagt. Wenn sie recht hatte, hatte er dabei eine kleine Rolle gespielt, soviel Gutes hatte die Sache wenigstens gehabt.
Aber was war jetzt mit Tia? Sie die Konkubine des Krugistoran? Das hatten die Sklaven gesagt. Sie war offensichtlich beliebt bei ihnen, und doch spürte Jestak, daß keiner sie jemals wieder auf gleicher Ebene akzeptieren würde, es sei denn, unter sehr ungewöhnlichen Umständen oder nur nach sehr, sehr langer Zeit. Sie würde im Feuer geprüft werden. Er selbst verspürte Abscheu vor der ganzen Sache. Aber es war wie der Bach, in den er hineingegriffen und aus dem er sie herausgezogen hatte, eine Macht, mit der sie nichts zu tun hatte. Würde er nicht wieder hineingreifen? Damals hatte er Hilfe gehabt. Vielleicht würde er sie auch jetzt bekommen. Um diese Hilfe wollte er beten. Aven hatte ihn bis hierher ge-führt. Daß er Tia gerettet hatte, das konnte man im Licht eines weitergehenden Zieles sehen. Sie sah sogar aus wie Arthil. Das war höchst sonderbar. Hier, so lächelte er vor sich hin, hat die Gattung auch ein Wörtchen mitzureden. Nun, schließlich gehörte er zur Gattung, oder nicht? Die Welt brauchte jedenfalls mehr Menschen.
»Aber nicht du, Jestak. Du bist anders. Du bist mehr als ein Durchschnittsmensch. Das hast du schon bewiesen, und du wirst die Last auf dich nehmen und es weiterhin beweisen müssen, aber wenn du das tust, wirst du es immer weniger als Last und immer mehr als Freude empfinden.« Auch das hatte Arthil gesagt. Arthil. Geh weg, Arthil! dachte er. Es war nicht schwer, auf einem Berg mitten im Ozean solche Gedanken zu haben. Ich muß an Schlaf denken und an Tia, an die Dummheit dieses ganzen Abenteuers und an die Schärfe meiner Pfeilspitzen. »Und beten«, sagte die Arthil in ihm. War es überhaupt Arthil? War es nicht eher das, was sie ihn in der kurzen Zeit gelehrt hatte? Oder was Adai ihn gelehrt hatte, und Arley, und der Religionsunterricht in Pelbarigan?
Nein. Wie war das möglich? Das war alles viel zu weit entfernt. Seine jüngsten Handlungen spielten sich in einer anderen Welt ab. Arley hätte gesagt: »Denk darüber nach, wie Aven darüber nachdenken würde, man soll Gutes bringen, ohne Schaden anzurichten, sich selbst schützen, um noch mehr Gutes bringen zu können. Unterdrückung ist nicht gut, und die Unterdrücker haben sich auf die der menschlichen Erfüllung entgegengesetzte Seite gestellt – außer in ihrer eigenen, verzerrten Sicht der Dinge. Deshalb soll man ihnen Widerstand leisten.« Aber ist es so einfach? Als er endlich schläfrig wurde, merkte er, daß er betete, versuchte, die Komplexitäten der Situation aufzulösen, die man bei näherer Betrachtung sah. Dann schlief er allmählich ein, sein leichter Atem verlor sich in den Insektengeräuschen der kühlen Sommernacht in den Bergen.
DREIZEHN
Als Jestak erwachte, erschienen ihm die Gedanken der vorhergehenden Nacht sehr verschwommen. Er versuchte sich daran zu erinnern, aber dann schärfte die klare Morgenluft sein Gefühl für Gefahr und Wachsamkeit, und er konnte an nichts anderes mehr denken. Er schickte sich an, wieder nach Süden zu laufen und wünschte, er hätte sich ein wenig von dem Kaninchen
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