Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
Dar und ich tragen Winnt auf einer Bahre ungefähr neun Ayas flußaufwärts bis an eine Stelle, die ich kenne, und dort verbergen wir uns bis zum Einbruch der Dunkelheit. Dann würde ich bis zum Morgengrauen weiter nach Norden ziehen.
Bis dahin müßten wir südlich der Ruine von Peo sein, und nur etwas mehr als einen Tag von Nordwall entfernt.
Das ist die gefährlichste Stelle, weil die Shumai manchmal dort lagern, aber ich kenne da wieder einen Platz, wo wir uns tagsüber verstecken können. In der nächsten Nacht könnten wir dann bis in Sicht-weite von Nordwall ziehen, wenn Winnt so schnell gehen kann.«
»Ich werde gehen«, sagte Winnt.
»Was hältst du davon, Dar?«
»Ich bin einverstanden, obwohl mir diese ganze Versteckerei nicht gefällt. Aber wir haben kaum eine Wahl.«
»Ich bin sicher«, bemerkte Bron, »daß der Pelbar eine Menge Verstecke kennt.«
Jestak schaute ihn scharf an, sagte aber nichts.
Dann drehte er sich um und spuckte ins Feuer.
»Friede«, sagte Mokil. »Wir können nicht länger bleiben. Lebt wohl, ihr drei! Möge Atou mit euch allen sein!« Und er legte bei allen dreien seine Hände gegen die ihren und kniete dann nieder, um Winnt zu grüßen, dessen hartes, junges Gesicht sich verkrampf-te, um einen kurzen Tränenausbruch zu unterdrük-ken. Ohne ein weiteres Wort begann die nördliche Sternspitze ihren Lauf nach Norden, und Dar und Jestak machten sich daran, eine Bahre zu bauen.
Sie war fertig, ehe die Sonne auf der Westseite des Flusses über die kahlen Bäume stieg. Vorsichtig hoben sie Winnt darauf, er schnitt dabei eine Grimasse, um nicht aufzuschreien. Als sie die Felle rings um ihn glattstrichen, hielt Dar inne. »Ich glaube, ich habe einen Hund gehört«, flüsterte er.
»Du hast recht. Einen Shumaihund. Ich habe schon heute morgen, ehe wir uns erhoben, einen gehört.«
»Aii. Atou«, sagte Dar.
»Dann wollen wir folgendes versuchen, Dar. Sie werden, wenn sie vom Rauch des Lagers angezogen über den Fluß kommen, sicher der Spur der Hauptgruppe folgen. Es führt ein weiterer Weg von hier fast ein Ayas weiter zurück nach Osten. Eigentlich müß-
ten sie von Westen kommen. Dieser Pfad ist sehr schmal und viel holpriger. Du mußt versprechen, niemandem davon zu erzählen und dieses Wissen niemals gegen die Pelbar zu verwenden. Aber ich ha-be ihn schon benützt, als die ganze Gegend von Sentani wimmelte. Ich habe sogar einmal auf dieser Fels-spitze gesessen und einer kleinen Shumaibande zuge-sehen, die da, wo wir jetzt sind, Hirsche abgehäutet hat.«
»Wir wollen nicht länger warten«, sagte Dar. »Ich bin einverstanden.«
Die beiden Männer versuchten, mit Winnt einen langsamen Trab einzuschlagen, aber das erwies sich als zu schmerzhaft für ihn. Der Pfad führte bergauf, in höhergelegenes Gelände, durch Gestrüpp und Wald. Anders als der Hauptweg hatte er viele Stei-gungen und Gefälle. Zweimal wateten sie in der ersten Stunde bis zur Taille in Bächen und hielten Winnt hoch. Sie gingen zuerst bachabwärts, bis sie eine seichte Stelle gefunden hatten, dann wieder aufwärts und schließlich auf den Pfad zurück.
Dreimal rasteten sie vor dem Sonnenhöchststand, aber nie lange. Zu diesen Zeiten verhielten sie sich ganz still, als lauschten sie auf das ferne Bellen des Shumaihundes. Nach Mittag hörten sie es wieder, einen Hund, weit im Westen.
»Gut«, flüsterte Jestak. »Es ist ein Hund. Das bedeutet, eine kleine Bande. Wenn sie der Sternenbande folgen, wird es ihnen nichts nützen, und da die Sentani jetzt ungehindert laufen können, sind sie weit fort, ehe sich noch mehr zusammenrotten können.«
»Vielleicht«, sagte Dar. »Die Shumai gehen ohnehin nie weit über Nordwall hinaus.«
»Nie«, sagte Jestak. »Nicht einmal, wenn sie im Herbst den schwarzen Kurzhornrindern folgen. Sie kämen sonst zu weit vom langen Gras weg, ehe der Winter einbricht.«
»Woher weißt du so viel über sie?« fragte Dar.
»Es ist ein Anliegen von uns Pelbar, soviel in Erfahrung zu bringen wie möglich, wo alle Völker sind und wohin sie gewöhnlich ziehen – wenn wir das können. Und jetzt werden wir beide aufbrechen müssen, wenn wir den Unterschlupf erreichen wollen.
Auf diesem Weg brauchen wir länger«, sagte Jestak, stand auf und stellte sich ans vordere Ende der Bahre.
Dar grunzte, erhob sich und klopfte sich ab. Das Schneetreiben wurde ein wenig dichter, und sie machten sich Sorgen, weil sie Spuren hinterlassen würden.
Gegen Abend senkte sich der Pfad durch
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