Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
und mischten getrocknetes Fleisch mit Apfelstük-ken, ein paar Kräutern aus einem Tonbehälter und den Stein der Reisenden hinein. Über der kleinen Flamme dauerte das einige Zeit, aber sie waren zu müde, um es sehr eilig zu haben, und Winnt war ganz betäubt vor Schmerz und Erschöpfung. Nachdem sie gegessen und Winnt langsam und sorgfältig gefüttert hatten, wuschen sie sein Bein mit warmem Wasser und Pelbarseife aus dem kleinen Vorrat in der Weghöhle. Winnt nahm seinen Gürtel in den Mund und biß fest darauf, um nicht aufschreien zu müssen, aber trotzdem waren sein gedämpftes Keuchen und seine Schreie für die beiden anderen beinahe uner-träglich.
»Ich glaube, sie bricht bald auf. Sieh hier!« sagte Dar und zeigte auf eine Stelle. »Vorher können wir nicht weitergehen, Jestak. Wir müssen ohnehin bis morgen nacht hierbleiben.«
»Ich kann gehen. Meinetwegen braucht ihr nicht hierzubleiben«, sagte Winnt schwach. »Bald werde ich wieder laufen.« Die beiden anderen tauschten Blicke.
»Sicher«, gab Jestak zurück. »Aber Dar hat recht, laß uns doch eine Weile hierbleiben. Ich bin sowieso reif zum Schlafen.«
Aber Jestak schlief nicht gleich. Neben der Lampe betete er nach Art der Pelbar, wobei man die Handballen an die Augen legt und die Finger zusammengerollt gegen die Stirn drückt. Während die beiden gesunden Männer in ihren Fellsäcken lagen, verbrachten sie eine unruhige Nacht, zu erschöpft, um tief zu schlafen, und zu sehr gestört von Winnts Stöhnen, der sich ständig herumwarf, eindöste und wieder aufwachte. Gegen Morgen stieß er einen lang-gezogenen Schrei aus und verlor das Bewußtsein. Die beiden anderen waren sofort an seiner Seite, und im Licht der Lampe zeigte sich, daß sich seine Wunde entleerte. Das gebräunte Bein, jetzt geschwollen und unförmig, mit dunkelroten Streifen, lag in der trüben Flamme da wie ein altes Feuer mit grauer Kruste.
Pelbarstoff aus den von den Shumai eingetauschten Fasern saugte die Flüssigkeit auf und wusch die Wunde. Als Dar durch den Spalt in der Belüftungskammer Sonnenlicht sehen konnte, sagte Jestak sanft zu dem wiedererwachten Winnt. »Gut. Jetzt wirst du das Bein nicht mehr verlieren. Du wirst Herr über die Infektion. Ruh dich aus, dann können wir heute abend aufbrechen.«
So einfach war es nicht. Winnt hatte immer noch große Schmerzen, aber er und Dar, die beide vorher noch nie in einem so engen Raum gewesen waren, wurden unruhig, ehe die Sonne untergegangen war.
Der Schneestaub des vorherigen Tages war im kalten Licht der Hirschmonatssonne verschwunden, daher brauchten sie sich im Augenblick wegen irgendwelcher Spuren keine Sorgen zu machen. Ein Viertelmond würde den Pfad ein wenig erleuchten, und als Jestak den Torstein zurückschob und den Schlüssel-felsen an seinen Platz legte, drängten sie alle zum Aufbruch. Sie lauschten ein paar Minuten in die Dunkelheit. Keine Hunde. Nichts als Wind in trockenen Gräsern, trockenen Blättern.
Die Nacht war für Winnt ein Alptraum, denn die beiden Träger bewegten sich schnell auf einem von den Pelbar absichtlich so schwach sichtbar angelegten Pfad, daß er selbst bei Tageslicht schwer erkennbar war. Beim ersten bleichen Lichtschein der Dämmerung waren die Männer immer noch mehrere Ayas südlich von der Ruine von Peo und Jestaks zweitem Unterschlupf. Bald würden sie aus den Hügeln herauskommen, und das flache Land vor Peo bot ihnen wenig Deckung. Bewegung zieht das Auge des Jägers auf sich, und wenn Shumai in der Gegend waren, konnten sie sie leicht sehen.
»Jestak«, fragte Dar, »wie weit sind wir vom Fluß entfernt?«
»Keine zwei Ayas.«
»Laß uns dort hingehen und den Tag im Weiden-dickicht verbringen. Am Abend können wir weiterziehen und deinen Unterschlupf umgehen.«
»Dazu müssen wir den Hauptpfad überqueren. Die Hunde der Shumai können unsere frische Spur aufnehmen.«
»Das müssen wir wohl riskieren.«
Als es heller wurde, verfielen die beiden Männer in einen langsamen Trab, und Winnt steckte seinen breiten Ärmel in den Mund und biß fest darauf, um das schmerzhafte Rütteln auszuhalten. Es war fast völlig hell, als sie den Hauptpfad überquerten. Dar und Jestak stellten die Bahre ein kleines Stück dahinter ab, und Dar ging noch einmal zurück, um den Pfad zu untersuchen. Stirnrunzelnd kam er wieder.
»Ein großer Shumaitrupp ist hinter der Sternenbande her«, sagte er. »Aber ich glaube, sie sind weit hinter ihr. Sie können erst irgendwann letzte Nacht
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