Pelbar 2 Die Enden des Kreises
ihrem anderen Ende erhob sich ein Palisa-denzaun. Eine Gruppe von Frauen jeden Alters lun-gerte um das Gebäude herum, aber als Ahroe erschien, kamen sie alle heran.
»Wir haben eine Schwester gefunden«, sagte die Große.
»Gut gemacht, Rabe. Du bist willkommen, Schwester. Willst du dich uns anschließen? Ich bin Ambi, die Leiterin.«
»Ahroe Dahmen aus Pelbarigan, eine Pelbar vom Heart-Fluß. Mein Sohn Garet. Wir sind auf der Durchreise. Nein, vielen Dank für das Angebot, aber ich will mich euch nicht anschließen und auch nicht, wie eure Rabe vorschlug, meinen Sohn hergeben. Ich bin nur auf der Durchreise und dankbar, daß ihr mich willkommen heißt.«
Ambi zog hörbar die Luft ein. »Du möchtest ein männliches Kind selbst behalten?«
»Ja, das wird weithin so gemacht – bei den Pelbar, die von Frauen regiert werden, und bei den Shumai, den Sentani, den Städten im Osten, den Tantal, den Rits, den Fernen Inseln, sogar bei den Peshtak, wie ich hörte ...«
Ein Gemurmel des Erstaunens und der Mißbilli-gung wurde hörbar.
»Was tut ihr mit euren männlichen Kindern?«
fragte Ahroe.
»Sie werden dorthin gebracht und von den Männern aufgezogen.« Ambi zeigte auf die weit entfernte Palisade. »Die Welt ist ja leider so eingerichtet, daß wir ihre Anwesenheit ertragen müssen. Und für die schwere Arbeit sind sie nützlich. Aber wir erhalten natürlicherweise, was für die Menschheit von Wert ist.«
»Das sagt Pell in ihren Schriften mehr oder weniger auch. Aber wir leben in Familien, wie die anderen Völker.«
»Vielleicht bleibst du doch eine Zeitlang bei uns.
Du scheinst eine intelligente Frau zu sein. Eventuell können wir deine Ansichten ändern.«
»Danke. Ich muß schnell weiter nach Westen.
Wenn ihr aber nichts dagegen habt, würde ich gerne eine Mahlzeit in Gesellschaft einnehmen. Garet und ich sind allein, seit wir die Ozar verlassen haben, und er ist noch kein so besonders guter Gesprächspart-ner.«
Darauf einigte man sich. Die Hauptmahlzeit war bald fällig. Man nahm sie in einem zentralen Saal ein mit einem hohen Tisch, an dem Ambi saß, Ahroe neben sich. Es waren Kleinkinder anwesend, alle weiblich, und Mädchen in allen Altersstufen, insgesamt, wie Ahroe schnell schätzte, ungefähr fünfundsiebzig Leute. Das Essen war gut zubereitet, eine Mischung aus Gemüse und Geflügel, und es war reichlich.
Ahroe schmeckte es, aber sie spürte in der Gruppe einen starken Widerwillen gegen die Anwesenheit von Garet, den sie von ihrem Teller fütterte und später stillen wollte. Sie beschloß, nichts von ihrer Suche nach Stel zu erzählen, und als man sie fragte, sagte sie, sie sei auf dem Weg nach Westen, um die Pendler aufzusuchen, von denen Fitzhugh gesprochen hatte.
Es gab Möglichkeiten für Tauschhandel. Die Jahv kannten kein Volk, das westlich von ihnen lebte.
»Vielleicht möchtest du über Nacht bleiben. Dein Kind kann ausnahmsweise im Kinderzimmer schlafen«, sagte Ambi.
»Ich danke dir vielmals, Leiterin. Aber ich war noch nie von Garet getrennt und würde mich ohne ihn nicht wohl fühlen.« Sie erzählte kurz von ihrem Zusammentreffen mit den Roti und sah, wie ein tiefes Erschrecken durch die Zuhörer ging.
»Ich habe ein Geschenk für dich, Leiterin«, sagte Ahroe. »Eine kleine Schachtel, die mein Gatte für mich gemacht hat.« Mit innerem Widerstreben, aber weil sie etwas beweisen wollte, gab Ahroe der Leiterin die winzige Schachtel mit Einlegearbeiten, die ihr Stel für ihre Haarspangen gemacht und die sie von Pelbarigan bis jetzt bei sich getragen hatte. Die Schachtel war aus dunklem Holz, das Fisch-und-Pfeil-Symbol, das Stel liebte, war mit hellerem Holz in drei Farben eingelegt. Um die Seiten herum waren die Worte geschnitzt: ›Ein Behälter für die Halter deines Haars. Wenn sie arbeiten, enthalte ich Luft.‹
»Dein Gatte?« fragte Ambi. »Was ist das?«
Nun war es an Ahroe, zu erschrecken. »Der Mann, mit dem ich verheiratet bin. Der Vater von Garet. Stel Dahmen aus Pelbarigan.«
Ambi starrte sie an. »Das hat ein Mann gemacht?
Diese feine Arbeit? Es ist feiner als alles, was ich je gesehen habe. Und du bist ... – was bist du? Verheiratet? Du hast einen Mann? Was soll das bedeuten?«
Ahroe verspürte eine starke Abneigung gegen das, was sie für das System der Jahv hielt. »Ihr lebt hier offenbar sehr isoliert«, begann sie und erklärte geduldig das Ehesystem der Völker des Heart-Flusses. Als sie fertig war, spürte sie Erstaunen und Spannung.
»Ich kann mir
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