Pelbar 2 Die Enden des Kreises
»Mir fällt der Abschied auch schwer.« Sie drehte sich um, ging schnellen Schritts einen Berg hinunter und verschwand hinter einem Vorsprung aus rotem Gestein.
Die drei sahen ihr noch eine Weile nach.
»Wir wollen jetzt gehen, Quen«, sagte Wald. Quen schüttelte die beiden ab. Dann drehte er sich mit ihnen um, und sie trabten zu Ozar zurück.
Ahroe fühlte sich sonderbar frei, jetzt, nachdem sie alleine war, sie ging schnell über das unebene Gelän-de und bemühte sich, soviel Abstand zwischen sich und die Roti – und auch Quen – zu bringen, wie sie nur konnte. Unterwegs jagte sie, fütterte Garet, badete und versorgte ihn, genoß die Freiheit des Alleinseins und verspürte eine sonderbare Hochstimmung.
Das Land war so groß, und so leer.
Endlich kam sie in dasselbe Becken, das Stel im Herbst zuvor durchquert hatte. Sie brauchte fast einen Tag, um über den Talboden zu gehen. Vor ihr stand im Norden und Süden eine Mauer von Bergen, noch schneebedeckt. Als sie sie ansah, zweifelte sie daran, daß Stel da einfach hinaufgegangen war. Das westliche Ende des Beckens erstreckte sich auch nach Norden und Süden. Überreste einer uralten Straße führten in beide Richtungen. Der nördliche Teil schien in die steilen Berge hinaufzuklettern. Stel war ein Flußmensch, überlegte sie, deshalb war er wahrscheinlich nach Süden gegangen, hatte Wasser gesucht, dem er durch die Berge folgen konnte. Im Herbst, mit dem Winter auf den Bergen vor sich wäre er sicher nicht nach Norden gegangen.
Also wandte sich Ahroe nach Süden, weg von der steilen Straße, die zu Scules leerem Haus und über die Wasserscheide führte. Aber nach etwa zwanzig Ayas wurde sie unsicher. Die Berge gingen westlich von ihr weiter, und alles Wasser floß immer noch nach Osten auf den weit entfernten Heart-Fluß zu. Sie war sicher, daß Stel nach Westen wollte. Teile einer zweiten, uralten Straße zweigten nach Westen ab und führten sie hinauf in hochgelegene Gebiete. Mit der Zeit erreichte auch sie das Schneefeld des Hochgebir-ges, das jetzt im Frühling matschig war, aber immer noch tief und kalt. Auch sie schoß mit ihrem Kurzbogen die kleinen, pfeifenden Nagetiere und machte aus den Fellen Fäustlinge und eine Mütze für Garet. Auch sie kam zu der Stelle, die aussah wie der Rand der Welt, empfand die reine Freude am Klettern und an der Höhe, und als sie durch die kühle, klare Luft weit nach Westen schaute, sah sie ein Wasserband. Es floß offensichtlich nach Westen. Sie sah, daß sie ein weites, rauhes Land vor sich hatte, und Garet weinte.
Ahroe seufzte, nahm ihn auf den Rücken und machte sich an den langen Abstieg.
Sie war schon eine Woche lang in den Bergen, als sie endlich den Fluß erreichte, der eine tiefe, schmale Schlucht durch ein mit Gestrüpp bewachsenes Plateau gegraben hatte. Ahroe folgte ihm, stieg hin und wieder hinunter und holte Wasser, um zu baden und das Baby zu waschen.
Dann erreichte sie eines Tages den Rand der Schlucht und entdeckte plötzlich drei junge Frauen mit Speeren, die im Halbkreis dastanden und sie beobachteten.
»Sei gegrüßt, Schwester«, rief die Größte. »Du bist in das Land der Jahv gekommen. Willst du dich uns anschließen?«
»Euch anschließen? Nein. Ich bin Ahroe Dahmen aus Pelbarigan. Mein Kind und ich wollen nur durchwandern. Es tut mir leid, wenn ich unberechtigt eingedrungen bin. Hier ist das Land meistens leer.
Soll ich mich lieber zurückziehen?«
»Nein. Komm mit uns! Dein Kind – wie heißt sie?«
»Garet. Es ist ein Junge.«
Die Jahv fuhren zusammen. »Ein männliches Kind also? Wir werden ihn dir abnehmen und ihn zu den Männern stecken. Dann bist du ihn los.«
Ahroe blieb stehen. »Er ist mein Kind. Ich will ihn behalten.«
Die große Frau sah sie mit schmalen Augen an.
»Wie du meinst. Nun komm mit! Wir bringen dich zu Dolla, unserer Leiterin. Seit langer Zeit ist hier niemand vorbeigekommen, und du bist die erste Frau, an die ich mich erinnern kann.«
Ahroe sah sich die Speere an. Die drei Frauen wirkten jedoch entspannt. »Na gut. Ich werde euch folgen.« Die drei setzten sich in Trab, und Ahroe kam mit Garet und ihrem Rucksack so schnell hinter ihnen her, wie sie konnte. Gelegentlich mußten die drei warten, aber sie zeigten keine Ungeduld. Schließlich tauchte hinter einer Biegung ein niedriges, weitläufiges Gebäude auf, schlecht zusammengefügt aus Balken und Steinen. Dahinter standen weitere Farmge-bäude, und noch weiter erstreckten sich bestellte Felder. An
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