Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
sich zu ihr hinunter und küßte sie.
Sie lachte. »Nimm lieber ein Dämpfungsmittel, bevor du Dummheiten machst.«
»Ich glaube, du hast etwas Wichtiges festgestellt.
Das glaube ich wirklich.«
»Es ist komisch, aber mir ist es nicht mehr wichtig.
Ich habe nur noch einen Wunsch, ehe ich sterbe.«
»Aber ich bin zu alt für die Liebe. Du hast es mir selbst gesagt.«
»Still. Ich möchte die Kuppel verlassen und frei auf der Erde umhergehen, auch wenn sie radioaktiv verseucht, auch wenn sie leer und verbrannt ist. Ich habe nicht mehr lange zu leben. Ich wäre gerne der erste aus der Kuppel, der hinausgeht. Es würde mir nichts ausmachen, wenn ich in zwei-oder dreihundert Einheiten sterben müßte.«
»Du hast vielleicht gehört, daß ich glaube, Celeste hat die Kuppel verlassen. Aber jetzt muß ich gehen und 14 vor weiteren Machenschaften bewahren.«
»Celeste ist fort? Du kannst jetzt nicht gehen. Nein, ich glaube, sie ist in den Recycler gesteckt worden.
Von Buttos Komp. Komm jetzt, Thorn!« Als er den Korridor hinuntereilte, rief sie hinter ihm her: »Das Schlimmste habe ich dir noch nicht gesagt.«
Thornton blieb stehen. Er blickte über die Schulter zu ihr zurück. Susan stand in ihrer Türöffnung, machte aber keine Anstalten, die Ebenen zu durch-queren und zum Entseuchungsraum zu kommen.
Inzwischen hatte sich das auslaufende Öl unter den Ebenen, die auf einem Untergrund aus Lehm und auf einer Felsnase aus Kalkstein ruhten, gesammelt. An einer Stelle begann es einen trockenen Stamm zu durchtränken, den man vor mehr als elfhundert Jahren im Gebäude vergessen hatte und der durch chemische Druckbehandlung vor Fäulnis geschützt worden war. Die Spitze des alten Pfeilers ragte durch einen Abschnitt unterhalb der siebten Ebene in den Lagerraum für den unter Druck aufbewahrten Reserve-sauerstoff. Es war ein langsamer Prozeß, aber nun hatte er begonnen.
FÜNF
Tor saß auf einem Vorgebirge südlich von Pelbarigan und sah zu, wie die Sonne nach Westen zog, beobachtete Ameisen, die in einer Linie über den Felsen liefen, und einen Zaunkönig, der in das Dickicht darunter flitzte, dann wieder heraus und noch einmal hinein. Tor nahm eine Irisblüte auseinander, Blatt für Blatt, legte die Blütenblätter in einer Reihe auf seinem Knie aus, untersuchte gelangweilt ihre Form. Er sehnte sich danach, nach Westen aufzubrechen und seine Männer zu suchen.
Diesen Sommer würde Blu Axtschwinger sein. Blu war so groß wie Tor, und genauso drahtig. Blu war auch fast genauso schnell, wie ihre ›Na,na‹-Spiele zeigten, und er konnte den schwersten Bogen ziehen und einen Pfeil genau dahin schießen, wo er ihn haben wollte. Also würde Blu sein Nachfolger werden.
Nein. Tor wußte, daß ihm etwas fehlte. War es sein Extremismus, die wilde Liebe zum Präriewind, wovon er so durchdrungen war, daß die Männer es spürten und darauf reagierten? Tor wußte es nicht. Er wußte aber, daß sie ihm überallhin folgen würden. Er hatte diese besondere Eigenschaft, die die besten Shumaiführer alle besaßen. Was es war, war ihm selbst ein Rätsel. Es zeigte sich darin, daß er jede Situation sofort erkannte und genau wußte, was zu tun war.
Blu hatte auch etwas davon. Aber es war eine Ga-be, dieses Wissen. Tor wollte gerne gehen, aber Celeste wurde und wurde nicht gesund. Sie lag unten in Pelbarigan und hatte eine Krankheit nach der anderen, wenn sie die eine überwunden zu haben schien, kam eine neue. Sie rief nach ihm, wenn sie sich im Fieber herumwarf, oder lag teilnahmslos da, und er wagte nicht, wegzugehen, obwohl er nichts anderes tat, als da zu sein und lautlos stockend für sie zu beten. Die Haframa, die alte Frau mit dem strengen Gesicht, machte alles; sie behandelte Tor wie eine unan-genehme Medizin, von der man Celeste hin und wieder einen Schluck verabreichen mußte, wenn sie sie brauchte.
Aber er hielt es nicht lange aus in der Stadt, mit ihren alten Treppen, ihrer Stickigkeit und den dunklen Korridoren, daher blieb er hoch oben auf den Klippen, streifte durch die Wälder, betrachtete die kleine Pferdeherde, die die Pelbar von Nordwall hergebracht hatten, und tat nichts oder sah zu, wie sein Neffe zurechtkam. Er hatte angefangen, Trinkbecher mit den kunstvoll verschlungenen Mustern zu schnit-zen, die die alten Shumai ihren Werken angedeihen ließen, wenn sie ermatteten und die Zeit des Laufens hinter sich hatten. Er fühlte sich alt. Gütiger Sertine, konnte so ein zartes, fremdes Mädchen sein Leben so
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