Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
verändern? Ja. Wegen Celeste, dem armen, heimatlo-sen Kind würde er bleiben. Und noch mehr, wegen dem, was Celeste bedeutete. Sie kam aus der Kuppel, obwohl sie sich weigerte, das zuzugeben. Sie war eigentlich zu krank, um überhaupt viel zu sagen. Tor hatte eine unbestimmte Angst vor der Kuppel.
Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu, und weit draußen flogen die Reiher in kleinen Gruppen von ihren Futterplätzen in den Untiefen am Westufer über den Fluß zu den Inseln mit den hohen Bäumen. Weit unten konnte Tor sehen, wie Dailith der Gardist den Pfad heraufkam. Celeste mußte also wieder nach ihm verlangt haben. Tor wischte die Irisblätter zu Boden und ging Dailith auf dem Pfad entgegen.
»Celeste?« fragte er.
»Ja. Diesmal sieht es aus wie Windpocken. Sie ist voller Schorf und sehr verängstigt.«
»Sie hat ihre Kinderkrankheiten ausgelassen. In dieser Kuppel gibt es anscheinend keine.«
»Was auch immer. Jedenfalls sollst du kommen. Ich werde dafür sorgen, daß man dir etwas zu essen bringt. Jede Krankheit, die sie bekommt, ist sehr schlimm. Sie hat genügend Flecken für vier Kinder.«
Tor trabte den Pfad hinunter. Dailith ging hinter ihm und wagte nicht, auf dem losen Geröll so schnell zu laufen wie der Axtschwinger. Die Gardisten am Tor, an die großen Mauersteinblöcke gelehnt, sahen ihnen entgegen. Ahroe stand da und streckte ihm den Arm hin. Sie faßten sich an den Handgelenken, als er vorbeiging. Garet hockte in ihrer Nähe und verfer-tigte ein kunstvolles Bauwerk aus kleinen Zweigen.
Als Tor den Raum betrat, wo Celeste lag, so leise, daß er die Haframa erschreckte und sie ruckartig den Kopf herumriß, drehte sich Celeste kaum um. Dann streckte sie ihm die Hand entgegen, und er nahm sie.
»Ich werde sterben, nicht wahr?«
»Sterben? Nein. Du bekommst deine Krankheiten alle auf einmal. Das habe ich dir schon gesagt. Es ist völlig normal. Alle Kinder müssen einfach aus Stahl sein, wie Eichenprügel. Du kannst es aushalten. Ich weiß es.«
»Es ist zu schrecklich, Tor. Du gehst nicht weg, nicht wahr?«
»Jedenfalls nicht völlig außer Rufweite. Ich werde hierbleiben und verweichlichen.«
»Es tut mir leid. Und ich bin auch kein Kind mehr.«
»Schon gut, Backenhörnchen. Du bist kein Kind mehr, aber vor ganz kurzer Zeit warst du noch eines.
Es ist nur – nun, laß mal.«
»Worum geht's?«
»Wir können darüber sprechen, wenn es dir besser geht.«
»Nein, Tor. Ich langweile mich so, daß ich nicht so lange warten kann. Weißt du, daß es in dieser ge-krümmten Mauer und in der Decke 397 Steine gibt?
Die Winkel jedes Steins in der Wölbung schwanken zwischen 93 und 102 Grad.«
»Ich bin nicht der Mann, den du mit dieser Information beeindrucken könntest, Backenhörnchen.«
Celeste schwieg ziemlich lange. Schließlich fragte sie: »Was wolltest du sagen?«
»Nun, es geht um die Leute in der Kuppel. Ich mag ein wilder Mann sein, den diese gute Frau mit Entsetzen betrachtet, aber ich kann wenigstens ein bißchen denken. Ich weiß, daß du nicht über sie sprechen willst, aber das Problem ist, die Kuppel wird bald einstürzen, wegen der Erosion. Sie müssen rauskommen. Wir müssen ihnen helfen. Werden sie genauso krank werden wie du?«
Celeste schwieg, die Augen voller Tränen. Sie zog ihre Hand zurück.
»Schau mal, kleiner Vogel. Wir wollen doch nur helfen. Irgend etwas muß unternommen werden. Es gibt keine andere Möglichkeit. Wie wäre es damit?
Du sagst mir, was wir tun sollen?«
»Werdet ihr es auch tun?«
»Wie kann ich das sagen? Weißt du, wir hätten eigentlich Grund, die Kuppel zu fürchten.«
»Du mußt jetzt weggehen und mich krank sein lassen. Laß mich sterben.«
Tor beugte sich über sie und legte seine Stirn an die ihre, wobei er sie von oben komisch finster anschaute.
»Die Sache muß entschieden werden, Kleines. Wir können einer Entscheidung nicht einfach ausweichen.
Ich dachte, du möchtest uns gerne helfen, sie zu treffen. Wer könnte eine größere Hilfe sein?«
»Vielleicht bin ich doch nur ein Kind. Hier gibt es so viele Menschen. Es ist alles so fremd. Ihr wißt so wenig, es ist, als ginge man zurück vor die Zeit der Alten.« Celeste seufzte und zupfte an ihrer Decke.
Tor schaute Thya, die Haframa an, die leicht den Kopf schüttelte.
»Wir wollen jetzt nicht weiter davon sprechen.«
»Du gehst aber nicht weg?«
»Nein. Ich bleibe hier. Vielleicht könnte ich etwas zu lesen bekommen. Haframa, würde die Priesterin Avens mir diese Rolle noch
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