Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
wirklichen Spaß gemacht hat.«
Dexter stand plötzlich auf und ging in dem kleinen Raum auf und ab, dann blieb er stehen. »Erstens«, sagte er, »ist es möglich, auf Distanz zu bleiben, aber das ist nicht der Sinn. Der Sinn ist, sich zu engagieren. Zweitens, ob du gebärfähig bist oder nicht, kannst du mit wissenschaftlicheren Methoden nach-prüfen; drittens wird es deine Einstellung tatsächlich verändern, aber wir brauchen dich so, wie du bist – klar und logisch; viertens ... ich habe vergessen, was viertens war. Eolyn, du bist an die ganze Sache von der falschen Seite herangegangen. Du mußt dich ge-fühlsmäßig einbringen.«
»Ich habe dein Verhalten bei Versammlungen beobachtet. Du hast dich nicht eingebracht. Ruthan schon, aber du nicht.«
Dexter setzte sich. »Nein, ich nicht. Ich habe entdeckt, daß ich das nicht kann. Aber sie hat es getan, und das hat die ganze Sache gerettet. Du würdest es verabscheuen. Es wäre nichts als Leere.«
»Du bist in Wirklichkeit ein archaischer Moralist und willst mich nur mit Ausreden abspeisen. Sind wir nicht Freunde? Sind wir nicht verpflichtet, unseren Freunden zu helfen? Ich merke, daß ich Freundschaft brauche. Ich bin ein Rechner, der neu eingestellt werden muß. Meine Schaltkreise verrosten.
Kannst du mich nicht einfach wie eine Maschine behandeln?« Ihr Gesicht verzog sich im Schmerz einge-standener Einsamkeit. Dann bedeckte sie es mit den Händen und ein trockenes Schluchzen schüttelte sie.
Dexter stand völlig verdutzt auf. Er öffnete den Mund und machte ihn wieder zu. Er streckte die Hand aus und zog sie neben sich auf das Schlafpolster herunter. Er sah ihr wohlgeformtes Ohr, die Haarsträhnen darum herum. Nein – es war zu grotesk. Er mußte eine Möglichkeit finden, sie zu dämpfen. Andererseits wäre das gefährlich. Er wagte nicht, sie sich zum Feind zu machen. Die Welt hier war eng begrenzt. Kuppel und Ebenen brauchten sie, besonders jetzt, wo Zeller tot war. Dexter verspürte keinerlei moralische Skrupel, außer für das, was er als den Dunstkreis von Ruthans Gefühlen begriff.
»Du wirst es Ruthan nicht verraten?« Eolyn schüttelte den Kopf, den sie noch immer in den Händen vergraben hatte. Die Lichterreihe auf Dexters Nagermonitor verschob sich, wanderte über den Schirm und flackerte schwach, als eine neue Fütterungsperi-ode einsetzte. Nach einiger Zeit zeigte ein aufblitzen-der Punkt auf der zweiten Ebene eine neue Geburt an, dann eine zweite, eine dritte, eine vierte. Ein Punkt nach dem anderen erlosch. Dexter sah nicht hin. Er befahl auch Ariadne nicht zu klatschen.
»Es geht nicht«, sagte er nach einer Weile und hielt inne.
»Warum nicht?«
»Es geht eben nicht.« Es war ein tristes, hoffnungsloses Unterfangen, das nie zu irgendeinem Ziel führen würde. Er spürte, wie sein Glied erschlaffte, und löste sich von ihr.
Nach einiger Zeit stand Eolyn auf, zog ihren Körperstrumpf glatt und wollte gehen, blieb aber noch einmal stehen.
»Bist du jetzt neu eingestellt?«
»Nein. Nein. Du siehst doch. Es kommt doch nichts dabei heraus. Es tut mir leid. Ich wollte es erzwingen.
Es war ein Fehler. Ich verstehe es nicht. Die Bilder.«
»Die Bilder? Was? Vielleicht änderst du deine Meinung noch. Ich hoffe es um deinetwillen.«
»Und um deinetwillen?«
»Mein Gott, Eolyn. Begreif doch! Mit uns hat das keinen Sinn. Was war dein erster Punkt? Distanz? Du und ich sind die distanziertesten Geschöpfe in diesem ganzen, mageren, elenden Haufen, aber so distanziert kann ich nicht bleiben.«
»Dann ist es Schuldgefühl. Was für ein archaischer Wert.«
»Vielleicht. Wenn alle Werte archaisch sind, wo bleibt dann ...« Dexter schaute zu seinen Bildschirmen hinauf. »O nein! Kassiopeia hat soeben ihren neuen Wurf getötet. Ich muß hinunter.« Er stürzte an Eolyn vorbei, hinunter in die Nagerabteilung.
Eolyn stand im Korridor. Sie streckte die Zehe aus, zeichnete einen Bogen auf den Fußboden und fragte sich, ob bei ihrer Zusammensetzung eine Kleinigkeit vergessen worden war, sie fragte sich, ob auch das geplant war, ob sie der letzte Mensch der Genetiker war, so entworfen, daß sie die Langeweile der Ebenen aushielt, weil sie nicht fähig war, etwas zu empfinden. Ganz bewußt begann sie, die hinter ihr liegende Entscheidung zu erzwingen. Sie würde so weitermachen wie bisher. Langsam fing sie an, Dexter zu hassen, obwohl sie begriff, daß das ein irrationales Ge-fühl war. Wenn Ruthan ihm gegeben hatte, was ihm fehlte, dann hätte er
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