Pelbar 3 Die Kuppel im Walde
Bedrohung von au-
ßen beseitigt ist. Meine Verlautbarung heute morgen hatte noch den alten Klang – die Autorität der Protektorin. Diese Autorität wird mit der Zeit untergra-ben werden. Neue Systeme werden kommen und sie ersetzen. Ihr Vorteil ist Sauberkeit und Schnelligkeit.
Ihr großer Makel ist, daß die Protektorin einen gro-
ßen Fehler machen könnte. Vielleicht habe ich gerade einen gemacht. Ich habe, wie jeder andere auch, nur beschränkten Einblick. Ich mußte mich auf die Ethik, auf die Werte Avens verlassen, und mich eng daran halten. Sie haben mich nie im Stich gelassen, aber manchmal war es ein schwerer Weg.«
»Ja, Protektorin«, sagte Ahroe etwas verblüfft. »Ich treffe gerade die Vorkehrungen dafür, daß du bald zum Gardehauptmann berufen wirst, Ahroe. Und Oet steht kurz vor dem Rücktritt. Vielleicht dauert es nicht mehr lange, bis du die gesamte Garde befehligen kannst.«
»Aber warum – ich verstehe es nicht.«
»Du hast deine Mutter aufgenommen, die dich verstoßen hatte, Ahroe. Du hast sie in den Armen gehalten und ihr in ihren letzten Stunden Trost gespen-det. Glaube nicht, daß das im Nordquadranten unbemerkt geblieben wäre. Du bist weiter gereist als je-de andere Pelbarfrau in der bekannten Geschichte.
Du bist zurückgekehrt, hast dich als loyal erwiesen, warst beständig, wenn Beständigkeit erforderlich war. Du kommst gut mit den Shumai und den Sentani zurecht. Verstehst du jetzt?«
»Nein, Protektorin. Ich empfinde das alles als Last, wie du es ausdrückst.«
»Protektorin zu sein ist eine viel größere Last. Ich trage sie jetzt seit einigen Jahren. Ich spüre, wie sie mir allmählich entgleitet. Ist dir klar, daß die Dahmena die erste Nacht, die sie in ihrem Leben außerhalb der Stadt war, in deinem Haus verbracht hat? Ist dir klar, daß ich einmal, vor vielen Jahren, Nordwall besucht habe, und daß ich bis auf diese Reise ebenfalls alle Nächte meines Lebens in dieser Stadt geblieben bin? Wie soll ich Entscheidungen treffen für die neue Welt, die sich auftut?«
In Ahroes Geist ging ein fernes Licht auf. Nein.
Konnte die Protektorin das meinen? Es war zu viel.
Konnte sie die Last tragen?
Schließlich sagte die Protektorin: »Du schweigst.
Weißt du, es kann gut sein, daß du irgendwann tatsächlich Protektorin wirst. Ich freue mich, daß du das als Bürde empfindest. Wenn du stolz wärst, würdest du es nicht gut machen. Natürlich kannst du dich weigern. Vielleicht wählt dich der Rat auch niemals.
Aber ich spüre es. Du mußt darüber nachdenken. Du darfst nicht vergessen, daß wir immer noch Pelbar sind. Wir dienen immer noch Aven. Wenn das Rechte getan werden muß, müssen wir es tun, ganz gleich, was es uns kostet. Nun mußt du gehen, Ahroe, und Stel helfen, seine Expedition vorzubereiten.«
»Ja, Protektorin. Danke. Das alles verwirrt mich. Ich muß erst einmal mit mir selbst ins reine kommen.«
»Noch etwas. Das macht mir Sorgen bei dir. Du mußt mehr über Aven wissen, als du für möglich hältst. Ich habe bemerkt, daß du nicht zu den From-men gehörst. Du wirst fromm werden müssen. Ich meine keine leere Frömmigkeit. Ich meine, ein Durch-forschen der Rollen Pells, der Fragmente alter Schriften, die wir haben. Ich sehe, daß dein Freund Tor hin-einschaut. Ohne diese Untermauerung durch histori-sches Wissen kannst du keine klaren Entscheidungen treffen. Entscheidungen werden nicht nur mit dem Kopf getroffen. Wenn, dann sind sie oft schlecht und dumm. Nun kannst du gehen.«
Ahroe verneigte sich vor dem Rücken der Protektorin, denn die hatte sich kein einzigesmal umgedreht.
»Ja. Danke, Protektorin«, sagte sie und ging. Nach einiger Zeit wandte sich die Protektorin doch um. Ihr Gesicht blieb ernst und gespannt, als sie vom Fenster wegging, um Druk zu rufen und sich Tee bringen zu lassen.
Ahroe fand Stel im vorderen Raum, wo er kleine Haufen von Dingen aufschichtete, die er mitnehmen wollte. Er schien eher nachdenklich als begeistert und warf ihr einen Blick zu, der ihr verriet, daß er sie vermissen würde. Er rollte spielerisch etwas in der Hand hin und her.
»Was ist das?«
»Es ist der Kasten, den Tristal gefunden hat. Er ge-hörte Celeste. Wir haben ihn nie zurückgegeben. Tristal dachte, es sei eine Waffe, die seinen Hund verletzt hat, aber ich verstehe das nicht. Schau, hier!
Wenn du da drückst, kommt hinten ein kleiner Stab heraus.«
Ahroe schien sich nicht dafür zu interessieren. Stel legte den Kasten auf einen kleinen Tisch, sah ihn
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