Pelbar 4 Der Fall der Muschel
der Mann schrie. Mehrere andere richteten sich auf und starrten zu ihnen herüber.
Gamwyn und der Mann regten sich nicht.
»Wer bist du?« wiederholte Gamwyn. »Du mußt der Peshtak sein, über den der Nicfad so schimpfte.
Wie heißt du?«
»Das sage ich erst, wenn du sagst, wer du bist.«
Gamwyn seufzte. »Ich bin Gamwyn, ein Pelbar aus Threerivers. Aber für die hier bin ich ein Peshtak. Das haben sie von Anfang an geglaubt. Sie sagten, sie würden mir den Fuß abschneiden, wenn ich es nicht zugäbe. Da habe ich es natürlich zugegeben.«
Der Mann gluckste. »Ein Pelbar. Wer hätte gedacht, daß ich hier einen schweinsbäuchigen Pelbar treffen würde.«
»Wie heißt du?«
»Wie ich heiße?«
»Auch die Peshtak haben Namen. Diesmal breche ich dir die Hand. Es wird dir viel Spaß machen, mit einer gebrochenen Hand zu arbeiten.«
»Syle. Ich bin Syle. Und jetzt laß los!« Gamwyn tat es. »Jetzt kann ich den fischbäuchigen Tusco sagen, daß du gelogen hast. Jetzt bist du von mir abhängig.
Siehst du? Mich kriegst du nicht mehr mit deinen fei-gen Griffen.«
»Du willst es den Tusco erzählen? Dann sage ich einfach, daß du sie irreführen willst. Sie sind sich absolut sicher, daß ich ein Peshtak bin. Schau, warum müssen wir Feinde sein? Wir wollen beide hier raus.
Richtig? Warum tun wir uns nicht zusammen?«
»Zusammentun? Mit einem Weibersklaven von Pelbar?«
»Kennst du Misque?«
»Misque? Wo bist du ihr begegnet?«
»Auf Jaiyans Station. Ich kam dahinter, daß sie eine Peshtak war.«
»Und du hast sie verraten.«
»Nein. Sie hat mir das Leben gerettet. Wir haben uns zum Abschied umarmt.«
»Puuh!«
»Ich weiß, daß ich dir nicht trauen kann. Jedenfalls nicht zu weit. Aber ich schwöre dir jetzt bei Aven, daß ich dich nicht verraten werde – und daß du, wenn ich einen Weg zur Flucht finde, der erste bist, der davon erfährt.«
»Es gibt keine Möglichkeit. Überhaupt keine. Da sind die Hunde und die Patrouillen. Du könntest rauskommen, aber du kämst nicht weit. Die Nicfad sind zu gut. Drecksgesichter. Sie würden sogar einen Peshtak finden. Aber ich möchte einmal erleben, wie sie einer guten Streitmacht von uns in die Quere kommen. Wir würden sie alle aufspießen.«
»Es muß eine Möglichkeit geben. Craydor würde sagen, das ist eine Sache der Planung. Ihre ganze Gesellschaft ist ein Plan – ein sehr schlechter. Für die Herrschenden funktioniert er recht gut, aber er hat seine Mängel. Er muß sie haben. Wir müssen sie nur herausfinden.«
Die beiden redeten die ganze Zeit, während sie im Rauch lagen. Gamwyn erfuhr, daß Syle erst achtzehn war. Er kam aus den Bergen. Auch er war verzweifelt. Er zeigte die übliche Verschlagenheit und den Haß der Peshtak, aber seine jugendliche Angst quoll ständig hinter seiner gespielten Tapferkeit hervor.
Die Peshtak streiften frei in den Hochwäldern herum, und das mühsame Sklavenleben machte ihm schrecklich zu schaffen.
Das Signal zum Abendessen ertönte, und als sie zur Tür krochen, flüsterte Gamwyn: »Hast du die Seuche?«
Syle warf ihm einen harten Blick zu, sein Kiefer zuckte. Aber er sagte: »Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.«
Ein paar Tage später hakte wieder ein Nicfad seinen Stab in Gamwyns Halsband ein und führte ihn zu den Kreisen. Der Junge schaute zu Syle zurück, der die Szene beobachtete. Der Nicfad sprach kein Wort, sondern ließ ihn hinauf in den innersten Kreis marschieren, wo ein Brunnen stand, umgeben von quadratischen Steinstufen.
»Hier. Das ist der Kleinste. Er geht hinunter«, sagte der Nicfad zum Kreis braungekleideter Arbeiter, die mit Steinen und Werkzeugen herumstanden. Der Nicfad warf den Jungen mit seinem Stab nieder und trat beiseite.
Der Vorarbeiter hockte sich neben ihn und drehte ihm den Kopf herum. »Dieser Grünschnabel?« fragte er.
»Der einzige Kleine. Ein Peshtak.«
Der Mann schaute auf. »Peshtak? Bei den leiden-den Welsen.« Dann wandte er sich Gamwyn zu und sagte: »Der Brunnen ist eingestürzt, Junge. Wir brauchen kleinen Mann zum Hinuntersteigen und Aus-graben. Dann muß er mit Steinen verkleidet werden.«
Gamwyn mußte auf einer Leiter in den eingebro-chenen Brunnen hinuntersteigen. Den ganzen Tag schickte er Eimer voll Schmutz und Schlamm am Seil zu den Arbeitern hinauf. Sie schalten ihn wegen seiner Langsamkeit, während er im Halbdunkel des Schachts vor Kälte zitterte und immer wieder aus-rutschte. Das ganze Bauwerk war in Gefahr, ihm auf den Kopf zu fallen, und nach
Weitere Kostenlose Bücher