Pelbar 5 Ein Hinterhalt der Schatten
Seitdem hatte man sie gejagt, aber nicht, weil sie besonders wichtig gewesen wäre, sondern weil die Tantal gerne an jedem, der zu fliehen versuchte, ein Exempel sta-tuierten. Gefangennahme bedeutete Folterung und Tod. Aber das war ihr egal. Sie war nach Westen gegangen, um die Suchpatrouillen zu täuschen, die damit rechneten, daß sie sich nach Süden in Richtung auf das Peshtak-Gebiet zu bewegte, aber ihr Plan hatte nicht funktioniert.
»Ich bin dir dankbar«, sagte sie. »Ich weiß, daß ihr Pelbar die Peshtak haßt, obwohl ihr uns von unserer Seuche geheilt habt. Aber wir können unseren Freunden gegenüber loyal sein, und ich schwöre dir jetzt bei den Göttern von Krieg und Frieden, daß ich es dir gegenüber sein werde.«
»Loyalität. Ich habe sie erlebt, so gesund, so fest, so dauerhaft – und dann wird sie plötzlich durchsichtig wie Wasser und beginnt sich zu verflüchtigen.«
Dahn schaute ihn verständnislos an.
»Aber ich bin dir dankbar für deinen Schwur. Er wird sicher solange halten, wie wir zusammen sind.
Ich will nach Osten. Ich möchte dir das Boot geben und dich zu den Pelbar schicken. Es ist ein weiter Weg, aber in Threerivers sind Peshtak, und dort gibt es nirgends Tantal.«
»Du hast mir immer noch nicht erzählt, warum du mitten im Bittermeer herumschwimmst.«
Stel spürte einen Ruck an der Leine und zog einen ziemlich großen Seebarsch heraus. »Ich wünschte, wir hätten das Boot nicht umgekippt«, sagte er. »Den hier hätten wir prima kochen können.«
»Gib ihn mir nur«, sagte Dahn. Stel reichte ihr den Fisch und das Ködermesser und sah im Dämmerlicht zu, wie sie ihn geschickt ausnahm und schuppte, dann verschlang sie ihn roh. Als sie damit anfing, wendete Stel das Boot und begann im Dunkeln nach Süden zu rudern. Weit entfernt, an der Küste, leuchtete das Feuer der Tantal. Während sie langsam durchs Wasser glitten, erzählte Stel dem Mädchen von der Reise nach Norden, von der Portage, den Kämpfen und dem Verlust Raydis. Sie aß geräuschvoll, verschluckte sich zweimal an Gräten und verstummte dann.
Schließlich sagte Stel: »Ich glaube, wir können jetzt an Land gehen und ein paar Binsen schneiden. In dem Boot schläft es sich ungefähr so gut wie auf einem Holzstapel.« Aber Dahn war schon eingeschlafen und gab keine Antwort mehr. Sie lag in unbequemer, verdrehter Haltung über einer Ruderbank, die Beine gespreizt, so daß er dazwischen saß, einen Fuß mit einem Schnitt in der Ferse hatte sie auf seinem Knie liegen, den anderen ließ sie leicht ins Wasser hängen.
Stels Rippen schmerzten wieder, und sein Unterarm brannte. Er hätte gerne Nadel und Faden gehabt, um die Wunde zu nähen. Sie hatte fast aufgehört zu bluten, aber durch das Rudern klaffte sie wieder auf.
Er erinnerte sich, wie Tor, der einarmige Shumai, gerudert hatte und versuchte es ihm nachzutun und den verletzten Arm möglichst stillzuhalten. Er blieb auf Südkurs und ruderte langsam weiter, während der Vollmond aufging und ein geisterhaftes Licht über das Wasser warf. Stel fragte sich, ob ihnen die Tantal wohl am Ufer folgten. Er kam zu dem Schluß, ein Grund für seinen leichten Sieg sei gewesen, daß sie müde waren. Er konnte sich jedoch nicht darauf verlassen, daß sie aufgeben würden. Er ruderte fast die ganze Nacht weiter und weckte schließlich vor der Dämmerung Dahn, indem er sie leicht am Bein rüttelte.
Sie wurde mit einem Ruck wach. »Papa?« fragte sie. »Ach. Du. Wo sind wir? Es ist fast Morgen. Stel?
Stel war doch dein Name?«
»Ich möchte jetzt an Land gehen. Wir werden uns einen neuen Feuerkorb machen, dann kannst du auf dem Boot kochen. Ich gebe dir das Ködermesser. Wir sammeln ein wenig Gras, damit du im Boot schlafen kannst. Ich zeige dir, wie du fahren mußt, um die Portage zu finden. Ich wollte, ich könnte dich hin-bringen, aber ich habe gelobt, meine Tochter zu suchen.«
»Ich komme schon zurecht.« Sie beugte sich über die Seite und schlabberte Wasser wie ein Tanwolf, dann wusch sie sich die Hände. »Suche nach einer Frau namens Suffis – Sufy für ihre Freunde, wenn du nach Ginesh kommst. Sie ist eine Peshtak-Sklavin. Sie wird dir helfen. Und du wirst ihr helfen. So. Jetzt ruhst du dich aus. Ich rudere uns an Land.«
Sie nahm das Ruder, und Stel lehnte sich, todmüde plötzlich, zurück. Der Mond ging gerade unter, als sie leise ans Ufer wateten. Stel schnitt mit seinem Kurzschwert Dünengras und legte es auf den Boden des Bootes, während Dahn Binsen für
Weitere Kostenlose Bücher