Pelbar 5 Ein Hinterhalt der Schatten
Hand weg. »Leb wohl, Aintre. Darf ich dem Gardisten sagen, er soll deine Sachen in meine Unterkunft schaffen?«
»Ja. Laß mich noch ein wenig hierbleiben. Leb wohl, Leiterin der Garde.«
Ahroe schlüpfte hinaus. Der Gardist stand völlig verdutzt da. »Gardist, sieh nach Aintre und frag sie, ob sie irgend etwas braucht. Wenn nicht, kannst du gehen. Es ist alles in Ordnung. Sie wird bei mir bleiben.«
Der Mann senkte den Blick. »Jawohl, Leiterin der Garde.«
Als Ahroe auf die Straße hinaustrat, erhellte frühe Dämmerung die Stadt. Eine Gestalt stand im Dämmerlicht da und wartete. Ahroe erkannte Mokil, den alten Sentani-Führer einer Sternenbande, der beim Kampf in Nordwall dabeigewesen war. »Ahroe«, sagte er.
»Mokil? Du bist früh auf.«
»Ich habe auf dich gewartet, Ahroe. Du hast doch nicht die Absicht, zurückzutreten, oder?«
»Ich ... ich hatte ...«
»Nun, vergiß es! Wir brauchen dich. Keine Angst.
Desdaan wird nicht ausbrechen. Das hier ist zu wichtig. Jetzt ist nicht die Zeit, um aufzugeben. Wir wissen alle, daß du Probleme hast. Das ist eine rein persönliche Sache. Dieses Treffen ist zu wichtig, als daß es von persönlichen Dingen abhängig sein sollte.
Bleib! Wir stehen alle hinter dir.« Er trat dicht an sie heran, sein grauer Haarschopf leuchtete im Frühlicht.
Er klopfte ihr auf den Rücken wie einem Pferd, dann nahm er sie bei den Schultern, zog sie zu sich heran und blinzelte sie an. »Du solltest dir das Gesicht waschen.« Er drehte sich um, dann sagte er noch über die Schulter: »In einem Quadranten ist die nächste Sitzung. Wir sehen uns dann.«
Ahroe sah der gebückten Gestalt auf ihren krum-men Beinen nach. Mokil wirkte ein wenig komisch.
Sie drehte sich um und ging auf ihr Quartier zu, in seltsamer Hochstimmung, bis ihr Raydi wieder ein-fiel. Sie hatte Aintre nicht nach Raydi gefragt.
DREIZEHN
Hoch oben in der Stadt Pelbarigan stand Sagan, die Protektorin, mit dem Rücken zu Garet und sah aus dem Fenster. Er stand starr und reglos da. Sie wippte eine Papierrolle, die sie hinter dem Rücken hielt, auf und ab. »Ist das alles, was du zu melden hast?« fragte sie schließlich.
»Ja, Protektorin.«
»Du hast nichts verheimlicht?«
»Nein, Protektorin.«
»Etwas hast du verheimlicht!«
»Was, Protektorin? Ich habe mich bemüht, alles zu sagen, so schmerzlich es auch ist.«
»Schmerzlich? Für dich? Was ist mit Aintre? Wie war es für sie? Ein ausgebildeter Gardist, der zuläßt, daß sein ungezügeltes Temperament die Oberhand gewinnt? Das ist jedenfalls auch für mich schmerzlich, Gardist.«
»Ja, Protektorin.«
»Doppelt schmerzlich wegen der Beziehung, in der wir zueinander stehen.«
»Ja, Protektorin.«
»Dreifach schmerzlich, weil auch meine Schwiegertochter beteiligt ist.«
»Beteiligt! – Aber Protektorin, du glaubst doch wohl nicht ...«
»Genug! Das weiß inzwischen das ganze Tal – au-
ßer Stel vielleicht, und der hat Sorgen genug, wenn er noch lebt. All dein Zorn auf ihn wird daran nichts ändern. All deine Gemeinheit und deine Enttäuschung werden es nicht besser machen.«
»Wie kannst du ...«
»Kind. Ahroe ist dabei, eine Föderation zustande-zubringen. Wer ist sonst so gut dafür geeignet? Niemand. Es ist Zeit dafür. Die Quadrantenrätinnen haben alles durchgesprochen. Unsere persönlichen Verluste, unsere Scham müssen warten, solange das läuft – solange es nicht außer Kontrolle gerät. Es herrscht Uneinigkeit.«
»Und Vater. Hast du auch mit ihm darüber gesprochen?«
Sagan klopfte mit der Papierrolle gegen ihren Schenkel. »Er hat mich eines Tages angeschaut. Das war genug. Dabei wurde es besprochen. Er weiß nicht einmal von diesem Desdaan. Er hat mehr gelitten als Aintre. Aber das mußte so kommen. Und ich gab ihm keinen Hauch Mitgefühl.«
»Mußte so kommen, Protektorin?«
»Ahroe ist in eine neue Dimension aufgerückt. Es ist, als gingen sie Seite an Seite einen Weg entlang.
Dann erreichen sie eine Gabelung, und während sie noch miteinander sprechen, nimmt der eine den einen Weg, und der andere den anderen, und sie unterhalten sich in immer größerem Abstand miteinander, bis sie einander nicht mehr hören können.«
»Und Mutter? War es für sie nicht qualvoll?«
»Natürlich. Solche Dinge sind unter gutwilligen Menschen keine berechnete Böswilligkeit. Sie war in tiefem Wasser, und eine Hand streckte sich ihr entgegen, eine Hand, die die Strömung kannte und wußte, wo das Ufer lag. So wie die Umstände waren, war Stel
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