Pellkartoffeln und Popcorn
Klassenlehrerin haben.«
»Um Himmels willen bloß nicht! Dann schon lieber unsere rheinische Frohnatur.«
Trotzdem debattierten wir diese Möglichkeit auch in der Klasse durch.
»Ihr könnt nicht abstreiten, daß wir einiges bei ihr gelernt haben«, gab Sigrun zu bedenken.
»Ja, Kommaregeln! Aber hast du schon mal ein einziges privates Wort von ihr gehört?«
»Hört doch endlich mit dem Unsinn auf. Quasi nimmt uns sowieso nie!« Evchen, ohnehin pessimistisch veranlagt, stellte düstere Zukunftsprognosen. »Wenn wir Glück haben, werden wir im neuen Schuljahr endlich den Weigand los. Aber dann kriegen wir entweder die Müller-Meiningen und kommen vom Regen in die Traufe, oder man jubelt uns die Ramburg unter. Dann hänge ich mich auf – oder gehe ins Kloster.«
Die letzte Stunde vor den Osterferien hatten wir bei Quasi. Sie betrachtete den Tulpenstrauß auf ihrem Pult etwas mißtrauisch, erkundigte sich, wer ihn vergessen habe, deutete dann unser albernes Grinsen durchaus richtig und fragte ungläubig: »Soll der für mich sein?«
Eine Stimme aus dem Hintergrund erläuterte treuherzig: »Den haben Sie sich auch redlich verdient!«
Quasi schien sichtlich gerührt. Und als es läutete, verabschiedete sie sich mit den Worten: »Also dann tschüß, Kinners, schöne Ferien, und erholt euch gut. Von mir!«
29
Mit dem Begriff Ostern verbindet man als Kind die Vorstellung von Osterhase und Ostereiern. An den Hasen glaubte ich seit Jahren nicht mehr und an die Ostereier noch nicht wieder. Ich bekam aber doch welche! Mami hatte bei Frau Wildenhof zwei Tafeln Schokolade erstanden, die sie in einzelne Stücke zerlegte, jedes extra einwickelte und dann versteckte. Das letzte fanden wir übrigens kurz vor Pfingsten, als Tante Else mal wieder die Lampenschalen saubermachte.
Anläßlich der bevorstehenden Feiertage sollte es auf Abschnitt D der Lebensmittelkarten eine Sonderzuteilung an Eiern geben. Pro Kopf ein Ei. Tante Else überlegte tagelang, ob sie mit den Eiern einen Kuchen backen, ein Festmahl herstellen oder dem unerhörten Luxus frönen sollte, sie Ostersonntag weichgekocht auf den Frühstückstisch zu bringen. Die dritte Möglichkeit schied aber aus, denn als wir unsere Sonderzuteilung schließlich abholen konnten, gab es nur Eipulver, das Herr Guber auf einer Briefwaage auswog. Also aßen wir Rührei, das mit einem Restbestand von Milchpulver gestreckt wurde und bestenfalls in der Konsistenz noch eine gewisse Ähnlichkeit mit normalen Rühreiern aufwies. Dazu gab es – welche Verschwendung – Corned beef, oder das, was unter dieser Bezeichnung verkauft wurde. Fleisch in handelsüblicher Form hatten wir schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Auf Marken gab es lediglich Wurst oder eben Corned beef, eine glibberige Masse, von der sogar behauptet wurde, sie enthalte Pferdefleisch. Das Gerücht hielt sich hartnäckig, obwohl es in ganz Berlin kaum noch Pferde gab.
Aus welchen Ingredienzien die Wurst bestand, ließ sich auch nie ermitteln. Offiziell hieß sie Leberwurst, und davon gab es drei Sorten. Einmal die normale, die mit Ausnahme von Leber alles mögliche enthielt, aber zumindest wurstähnlich schmeckte. Dann gab es die verlängerte Leberwurst, in die man eine Menge Füllstoffe und zur Geschmacksverbesserung haufenweise Majoran gestopft hatte. Aber wenn man die verlängerte Wurst nahm, bekam man die doppelte Portion dessen, was einem normalerweise zustand. Schließlich gab es noch die ›dreifache Wurst‹, die überwiegend aus Getreide bestand und nach überhaupt nichts mehr schmeckte. Darüber half auch nicht die Tatsache hinweg, daß man diese Wurst dreifach aufgewogen bekam.
Übrigens gab es damals noch ein Produkt, das sich Hefeflocken nannte und in Verbindung mit Wasser zu einer klebrigen Masse gelierte. Diese Substanz sah bräunlich aus, schmeckte leicht bitter und diente Omi als Grundlage ihrer fantasievollen Rezepte. Sie experimentierte unermüdlich mit dem Zeug herum, entdeckte ständig neue Varianten und pries das fertige Gericht abwechselnd als ›beinahe wie Gänseschmalz‹ oder ›kaum von Mozartkugeln zu unterscheiden‹ – je nachdem, ob sie nun Grieß oder Kräuter dazwischengemischt oder Zucker mit Kaffee-Ersatz und Rumaroma untergerührt hatte. Da ich weder wußte, wie Gänseschmalz noch wie Mozartkugeln in Wirklichkeit schmeckten, wunderte ich mich nach dem Genuß von Omis Erzeugnissen lediglich darüber, daß man solche Sachen als Delikatessen bezeichnete.
Jedenfalls hatte Omi mit
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