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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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2a. Es bildete sich die Pro-Quasi-Gruppe, bestehend aus der Zehlendorfer, der Dahlemer und der halben Lichterfelder Clique, und die Anti-Gruppe, die sich aus den meisten Steglitzern, den übrigen Lichterfeldern und ein paar Mitläufern rekrutierte. Der Rest verhielt sich abwartend. Die Anti-Gruppe beschloß, Quasi grundsätzlich nicht leiden zu können, beschränkte ihre Mitarbeit auf das äußerste Minimum und stürzte sich mit Feuereifer auf die anderen Fächer. Die Pro-Gruppe, derzeit noch Minderheit, jedoch bald durch Überläufer den Kontrahenten zahlenmäßig überlegen, konzentrierte ihre Aufmerksamkeit überwiegend auf den Deutsch- und Geschichtsunterricht.
    Quasi verhielt sich neutral. Sie tat, als bemerke sie die unterschiedlichen Strömungen in der Klasse nicht, behandelte uns alle gleichmäßig korrekt und ließ weder Sympathie noch Antipathie erkennen. Schließlich gewöhnten wir uns aneinander, aber unterschwellig waren auf beiden Seiten immer noch ein gewisses Mißtrauen und eine nicht zu überbrückende Reserviertheit vorhanden.
    Das änderte sich erst, als Regina zu uns kam. Sie stand eines Morgens etwas verloren neben dem Klassenzimmer, ziemlich groß, die rotblonden Haare zu einer eigenwilligen Frisur gekämmt, mit Sommersprossen auf der Nase und einem leicht amüsierten Lächeln im Mundwinkel. Frau Müller-Meiningen brachte sie schließlich mit in den Klassenraum, stellte sie als unsere neue Mitschülerin Regina Biegert vor und setzte sie in die vorletzte Bank. Wir beäugten den Zuwachs mit mäßigem Interesse – Irene, die während der Pause die üblichen Daten erfragte, um sie in das Klassenbuch einzutragen, meinte denn auch: »Ist wohl nicht viel los mit ihr. Außerdem ist sie uralt und wird in zwei Monaten vierzehn!« (Wir anderen waren zwölf oder bestenfalls gerade dreizehn geworden).
    Auch in den folgenden Tagen blieb Regina im Hintergrund, schien sich mit niemandem anfreunden zu wollen, gab einsilbige Antworten und trabte nach Schulschluß sofort Richtung U-Bahnhof los. Sie mußte irgendwo in unserer Gegend wohnen, denn wir sahen sie im Zug, und auf der Onkel-Tom-Straße war ich ihr auch schon einmal begegnet. Als sie auf dem Heimweg wieder einmal an uns vorbeischoß, meinte Anita abfällig: »Hochnäsige Gans!«
    »Vielleicht ist sie bloß schüchtern und traut sich nicht«, wandte ich ein, »soll ich mal mit ihr reden?«
    »Und was versprichst du dir davon? Aber wenn du unbedingt willst, dann versuch doch dein Glück.«
    Auf dem Bahnsteig entdeckte ich Regina am äußersten Ende. Ich pirschte mich langsam an sie heran, baute mich neben ihr auf, und gemeinsam starrten wir auf ein Plakat, das für den kommenden Samstag den Ball der ›Einsamen Herzen‹ ankündigte. »Bist du dafür nicht noch ein bißchen zu jung?« fragte ich vorsichtig.
    Regina grinste mich von der Seite an. »Als ich dich kommen sah, habe ich so schnell nichts anderes zum Lesen gefunden!« Der Bann war gebrochen. Um uns etwas näher zu beschnüffeln, trabten wir am Nachmittag anderthalb Stunden lang durch den Grunewald. Danach war ich davon überzeugt, daß Regina prächtig zu uns passen würde. Sie hatte Humor, war außerordentlich schlagfertig und alles andere als dumm. Als ich sie fragte, weshalb sie uns tagelang das unbedarfte Pusselchen vorgespielt hatte, meinte sie nur: »Ich wollte erst einmal die Lage peilen.«
    Immerhin wurde an jenem Nachmittag der Grundstein zu dem gelegt, was man so schön als ›Freundschaft fürs Leben‹ bezeichnet. Am nächsten Morgen präsentierte ich Regina den drei anderen. »Hier habt ihr sie, getestet und für brauchbar befunden!« Bereits am Nachmittag hockten wir zum erstenmal zu fünft in Irenes Zimmer und brüteten gemeinsam über dem Problem, ob das zu gliedernde Wortgebilde nun ein eingeschobener Nebensatz mit rückbezüglichem Verb oder nur ein ganz gewöhnlicher Hauptsatz mit drei gleichartigen Attributen sein könnte.
    »Man sollte Quasi auf den Mond schießen!« stöhnte Gerda und strich entschlossen ihr Geschreibsel durch.
    »Was habt ihr eigentlich gegen sie?« wollte Gina wissen.
    »Gar nichts, wenn man davon absieht, daß sie keinen Funken Humor besitzt und uns allen mit diesem ewigen ironischen Lächeln auf den Wecker fällt. Dagegen gibt es einfach keine Waffe.«
    Gina sah mich erstaunt an. »Du spinnst ja. Da haben wir endlich mal jemanden, dem der Kalk nicht schon aus den Ohren rieselt, und gleich jammert ihr. Ich finde sie prima. So was sollte man als

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