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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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angeblichen Kenntnisse stammten noch aus der Pensionatszeit und bewegten sich zwischen ›man nehme ein Pfund Butter sowie acht Eier‹ oder ›man werfe zunächst zwei Dutzend Krebse in kochendes Wasser…‹ Mit Roggenmehl und Haferflocken wußte sie nichts anzufangen.
    Auch Herr Gassen konnte nicht kochen und rührte sich höchstens mal Kuchenteig an, bestehend aus Mehl, Zucker, Milchpulver, Wasser und Rumaroma. Wenn er das Zeug gegessen hatte, wurde ihm regelmäßig schlecht, und Peter mußte von Tante Else Kamillentee holen. Das Mittagessen für sich und seine Schwester bezog er von Frau Wildenhof. Sie hatte tatsächlich wieder ihren Mittagstisch eröffnet; und so lieferte Peter morgens seine Schüsseln und Töpfe bei ihr ab, um sie nach Schulschluß abzuholen und im Laufschritt nach Hause zu transportieren. Trotzdem war das Mittagsmahl meist nur noch lauwarm. Außerdem war er kein gelernter Kellner, und so schwamm das Desssert gelegentlich in der Suppe, oder die Kartoffeln waren in den Himbeersaft gefallen. Peter mußte auch das Baby Barbara versorgen, das übrigens eine frappierende Ähnlichkeit mit Herrn Gassen hatte und schon allein deshalb seine angezweifelte Vaterschaft ad absurdum führte: Peter mußte einkaufen und Fenster putzen; Peter mußte Ölfarbe auf dem schwarzen Markt und Migränetabletten in der Apotheke besorgen, und gelegentlich mußte Peter auch mal Schularbeiten machen.
    Seine Mutter nahm er wohl als unabwendbaren Schicksalsschlag hin. Seinen Vater behandelte er mit der gleichen Nachsicht, die man sonst nur Kleinkindern und harmlosen Irren entgegenbringt. Letzteres war gar nicht einmal so abwegig. Herr Gassen war zwar ungemein fleißig, pinselte von morgens bis abends Berge, Almhütten und Schwarzwaldtannen; Verkaufsverhandlungen und Materialbeschaffung jedoch überließ er seinem Sohn. War die Leinwand alle und auch keine Malpappe zu haben, dann zerschnitt er kurzerhand ein Bettlaken. Schließlich hatte die Familie nicht mal mehr welche zum Wechseln.
    Dabei waren seine Bilder nicht einmal schlecht. Hätte ich eines davon in einer Galerie gesehen, so hätte es mir bestimmt gefallen; aber als Zeuge dieser Massenproduktion fand ich Herrn Gassens Kunstschaffen doch einigermaßen ernüchternd. Seine vollendeten Werke signierte er mit ›Nikolaus Lenau‹ oder ›Kunibert von Waltherstein‹, weil er seinen richtigen Namen für die Zeit aufbewahren wollte, wenn Kunst wieder vor Kommerz gehen würde. Während er an seiner Staffelei stand, dichtete er Knittelverse, übte sich in der Kunst, lange Sätze rückwärts zu sprechen oder suchte passende Begriffe, mit denen man das Wort ›Aluminium‹ verlängern könnte. Schließlich hatte er etwas gefunden. »Wenn jemand gegen ein Minimum Aluminium immun ist, besteht eine Aluminium-Minimum-Immunität! Schreib das mal ohne Bindestriche!«
    Gina verdächtigte mich schon, ich hätte mich in meinen neuen Nachbarn verliebt, aber das war natürlich Unsinn. Peter war für mich nichts anderes als Klaus oder Lothchen, mit denen ich aufgewachsen war, und die für mich auch nie etwas anderes als gute Freunde waren.
    Trotzdem ließ es sich nicht leugnen: Wir wurden allmählich älter. Mariele war 14 geworden und gab ein Backfischfest. Diese geschlechtslosen Wesen, weder Fisch noch Fleisch, die man heute Teenager nennt, hießen damals ›Backfische‹. Und aus der Zeit um die Jahrhundertwende stammte ein Gedicht, das mit den herzigen Worten beginnt:
    Mit vierzehn Jahren, sieben Wochen
    ist der Backfisch ausgekrochen,
    mit fünfzehn Jahren, sieben Tagen
    fängt das Herzchen an zu schlagen…
    In diesem Stil geht es weiter, bis das Herz dann mit achtzehn Jahren und sieben Sekunden ein anderes Herz gefunden hat.
    So weit waren wir zwar noch nicht; aber den Übergang in die Backfischzeit nahm Mariele als Anlaß, die ganze Klasse einzuladen. Das Fest fand zu abendlicher Stunde im Garten statt, wir tranken chemische Bowle, aßen Kartoffelsalat und Appetithappen mit fantasievollen Brotaufstrichen und tanzten ›langsamen Walzer‹. Mehr konnte Annemarie noch nicht, weil sie erst drei Tanzstunden hinter sich hatte. Sie war die Älteste aus unserer Klasse und ging seit kurzem in eine Tanzschule. Einmal war sie sogar schon mit rotlackierten Fingernägeln und einem Hauch von Lippenstift zum Unterricht erschienen, was Dr. Weigand mit sichtbarem Wohlgefallen, Frau Müller-Meiningen mit ebenso sichtbarer Mißbilligung zur Kenntnis genommen hatte. Wir allerdings lachten Annemarie

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