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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Stromaggregat; und es gab Flaschen und Gläser mit geheimnisvollen Flüssigkeiten, die ich freigiebig in mein Badewasser kippte, bevor ich zweimal täglich hineinschritt. Mami fand mein ungewohntes Reinlichkeitsbedürfnis zwar etwas befremdend, sagte aber nichts und räumte nur die Flaschen weg, weil ich nach ihrer Ansicht wie ein ganzer (ehemaliger) Friseurladen roch.
    Ganz allein residierte Tante Elfi aber doch nicht in diesem Riesenhaus, denn unten im Souterrain wohnte noch das Hausmeisterehepaar Brennicke, ursprünglich für Küche und Garten zuständig, nunmehr unangefochtene Herrscher über das ganze Anwesen. Tante Elfi beschränkte die ihr übertragene Aufgabe, das Haus zu hüten, auf gelegentliche Inspektionsgänge in den Keller, wo noch etliche Weinflaschen vor sich hinstaubten; und sonst saß sie vor dem Kamin. »Die Traudl kann das eh viel besser«, war die regelmäßige Antwort, wenn Mami ihre lethargische Freundin mal an den Kochherd oder den Staubsauger bringen wollte. Und nachdem Frau Brennicke Mamis angebotene Hilfe zwar höflich, aber sehr entschieden abgelehnt hatte, fand sie schließlich auch, daß die ›Traudl eh alles besser kann‹. Auf jeden Fall konnte sie kochen! Da ihr vorausschauender Ehemann im vergangenen Jahr statt Dahlien lieber Kohlköpfe gesetzt und die Rosenkulturen in einen Kartoffelacker verwandelt hatte, gab es sogar genug zu essen. Mal waren es Kartoffeln mit Rotkohl, mal Weißkohl mit Kartoffeln, gelegentlich auch Kartoffelbrei mit Rosenkohl, aber immer auf Meißener Porzellan serviert und mit schweren Silberlöffeln vorgelegt.
    »Seit wann besitzt denn der bewußte Herr dieses Haus?« wollte Mami wissen und kramte in den Noten herum auf der Suche nach Musikstücken, die ihrer Mentalität mehr entsprachen als Bach und Haydn, fand aber nichts und versuchte sich an Liszt.
    »I hob wirklich ka Ahnung, Herzl. Der Edmund hat mir die ganze G’schicht amal erzählt. I glaub, die Villa hat früher einem Juden g’hört, den die Nazis rausg’setzt ham, aber so genau hab i net zug’hört. Sag, kannst nix anderes spielen wie dös triste Zeugs?«
    Nach ein paar Tagen hatte ich keine Lust mehr zu baden, und die luxuriösen Zimmer fand ich auch allmählich langweilig, weil niemand da war, der mit mir Filmstar oder Gräfin hätte spielen können. Außerdem war es lausig kalt. Es gab zwar im ganzen Haus Zentralheizung, aber keine Kohlen mehr. Erträglich war es nur in der Halle; aber auch nur dann, wenn man nahe genug am Kamin hockte. Dort prasselte von morgens bis abends ein Feuer, über dem man notfalls einen Ochsen hätte braten können, und wenn Herr
    Brennicke neues Holz brachte, mahnte er: »Seiht Se nich so jroßzügig, det reicht höchstens noch für ’ne Woche.«
    Nach fünf Tagen war der Vorrat auch prompt zu Ende, obwohl Elfi das Feuer so gedrosselt hatte, daß der Ochse nicht mehr gargeworden wäre. Für ein Spanferkel hätte es aber immer noch gereicht.
    »Wann i schon nix G’scheits zum Essen hab, dann will i wenigstens nicht frieren. Im Keller steht eh noch g’nug alt’s G’lump, das zum Verfeuern grad recht is.« Also zerhackte Herr Brennicke weisungsgemäß einen voluminösen Kleiderschrank, mehrere Holzstühle sowie eine Schleiflackkommode mit drei Beinen. Das reichte dann wieder für ein paar Tage.
    Wenn Fliegeralarm kam, zogen wir in den Bunker. Das Grundstück fiel zum Wasser hin ab, und an der tiefsten Stelle hatte man einen Stollen ins Erdreich getrieben, der ziemlich weit in den Berg hineinreichte und relativ bombensicher ausgebaut worden war. Dieser Bunker war auch der Hauptgrund, weshalb Mami Elfis Gastfreundschaft überhaupt angenommen hatte, denn die ohnehin nie sehr enge Bindung zwischen den beiden schien immer mehr zu bröckeln. Mami langweilte sich, und ich mopste mich ebenfalls. »Was hältst du davon, wenn wir wenigstens mal die Teppiche und das Silber in den Bunker bringen. Und ein paar von den Gemälden? Ich verstehe zwar nicht viel von Malerei, aber daß die Bilder nicht aus dem Warenhaus stammen, kann sogar ich erkennen.«
    »Ach geh, dann wird’s so scheußlich ung’mütlich hier herinnen, und was glaubst, was dös für a G’schäft wär, wann mir das ganze Zeugs da den Berg runterschleppen täten?«
    Zwei Tage später waren Brennickes weg. Als Elfi um zehn Uhr auf der Suche nach ihrem üblicherweise am Bett servierten Tee in die Küche kam, war sie leer. In der angrenzenden Wohnung standen die Schränke offen, die Kleider fehlten, und das

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