Pells Stern
Schiffsfamilien sind in manchen Dingen enger und in anderen weiter auseinander. Aber du mit deiner eigenen Familie - das verstehe ich.
Ich respektiere es.«
»Es ist auch dein Heim. Deines.«
Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Also, was sagst du dazu?«
Die Büros für Stationsplanung gaben ernste Warnungen heraus, anders lautenden Rat, anders lautende
Bitten.
Nicht nur wegen der Einrichtung Qs. Ein Krieg kam auf sie zu. Alle Regeln galten für die Konstantins zuerst.
Er nickte nur. »Also haben wir das Warten hinter uns.«
Es war, als ob sich ein Schatten höbe. Der Geist der
Estelle
floh aus der kleinen Wohnung, die sie in Blau Fünf bezogen hatten, die kleiner war und in die ihre Möbel nicht passten, wo sich alles in Unordnung befand. Ganz plötzlich war sie zum Zuhause geworden, die Diele mit den in den Kleiderschränken verstauten Tellern, der Wohnraum, der nachts Schlafzimmer war, die in einer seiner Ecken zusammengeschnürten Schachteln, die Downer-Korbwaren mit dem, was eigentlich in die Dielenschränke gehörte.
Sie lagen in dem Bett, das tagsüber eine Couch war. Und sie redete in seinen Armen liegend, zum ersten Mal seit Wochen redete sie wieder, bis spät in die Nacht, eine Flut von Erinnerungen, die sie zuvor nie mit ihm geteilt hatte, in ihrem ganzen Zusammensein nicht.
Er versuchte sich auszurechnen, was sie mit der
Estelle
verloren hatte: ihr Schiff; immer noch nannte sie es so. Brüderlichkeit, Verwandtschaft. Kauffahrermoral, lautete das Stationssprichwort; aber er konnte sich Elene nicht zwischen den anderen vorstellen, als eine von den rowdyhaften Kauffahrern, wenn sie ihre Schiffe verließen, um eine Sauftour durch die Docks zu veranstalten und eine Nacht mit jedem, der bereit war. Bei ihr konnte er sich das nicht vorstellen.
»Glaub es!« sagte sie, während ihr Atem seine Schulter streichelte. »Das ist unsere Art zu leben. Was willst du statt dessen? Inzucht? Die Menschen auf dem Schiff waren meine Vettern und Kusinen.«
»Du warst anders«, beharrte er. Er erinnerte sich an sie, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte, in seinem Büro bei einer Angelegenheit, die den Ärger eines ihrer Verwandten betraf - stets ruhiger als die anderen. Ein Gespräch, ein weiteres Treffen; noch eines; eine zweite Reise - und wieder Pell. Sie war nie mit ihren Verwandten durch die Bars gezogen und die Kauffahrertreffs; statt dessen hatte sie ihn besucht, die Tage auf der Station mit ihm verbracht. War nicht wieder an Bord gegangen. Kauffahrer heirateten selten. Sie hatte es getan.
»Nein«, meinte sie, »du warst anders.«
»Würdest du von jedem ein Baby haben wollen?« Der Gedanke machte ihm Sorgen.
Manche Fragen hatte er Elene nie gestellt, weil er geglaubt hatte, die Antworten zu kennen.
Und Elene hatte noch nie so geredet. Verspätet revidierte er alles, was er zu wissen geglaubt hatte; und er fühlte sich auch zum ersten Mal verwundet und kämpfte dagegen. Sie war Elene; an diese Größe glaubte er noch und auf sie vertraute er.
»Wo sonst sollen wir sie herbekommen?« wollte sie wissen, was seltsam war, aber einen klaren Sinn ergab. »Wir lieben sie, oder glaubst du das nicht? Sie gehören dem ganzen Schiff. Nur gibt es jetzt halt keine mehr.« Auf einmal konnte sie darüber reden. Er spürte, wie die Spannung nachließ, ein Seufzen gegen seine Haut. »Sie sind alle nicht mehr.«
»Du hast Elt Quen als deinen Vater bezeichnet und Tia James als deine Mutter. War es so?«
»Er war es; das wusste sie.« Und einen Augenblick später: »Sie verließ eine Station, um mit ihm zu gehen. Nicht viele wollen das.«
Sie hatte ihn nie darum gebeten. Dieser Gedanke war niemals deutlich in sein Bewusstsein getreten. Einen Konstantin darum zu bitten, dass er Pell verließ... Er fragte sich selbst, ob er es getan hätte, und empfand ein tiefes Unbehagen.
Ich hätte es getan,
beharrte er.
Vielleicht.
»Es wäre hart gewesen«, gab er laut zu. »Es war hart für dich.«
Sie nickte, eine Bewegung an seinem Arm.
»Tut es dir leid, Elene?«
Ein leichtes Kopfschütteln.
»Es ist zu spät, um über solche Dinge zu sprechen«, sagte er.
»Ich wünschte, wir hätten es früher getan. Ich wünschte, wir hätten Verstand genug gehabt, um miteinander zu reden.
Wir haben so vieles nicht gewusst.«
»Bekümmert dich das?«
Er drückte sie an sich und küsste sie durch einen Schleier aus Haaren, wischte ihn zur Seite. Für einen Moment dachte er daran, nein zu sagen, entschloss sich dann aber,
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