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Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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neidvoll, vielleicht mitleidig
auf die deutschen Schwestern in der Nähe, deren Flügel sich so emsig drehen.
Fernab zeugen scharfe Einschnitte in den Wäldern von den Stürmen, die über sie
hinweggefegt sind. Hier und da ein abgeknickter Baumstamm, der sich ausnimmt
wie der lang gewordene letzte schwarze Zahn im Mund eines Greises aus der
Dritten Welt. Kein einziges Ausflugslokal, keine bunten Willkommensschilder,
keine Tourist Information, kein Fahrradverleih, nicht einmal ein Kiosk. Nein,
anbiedernd lieblich ist die Schneifel wahrlich nicht, das wäre gar nicht zu
ertragen. Sie ist wild, rau, ungestüm, schroff und seit über einem Jahr meine
Heimat. Weil ich hier mein Leben auf die Reihe bekommen und Freunde gefunden
habe.
     
    Viele Stunden später
    »Ich finde es penetrant, wie du mich siezt!«
    Marcel wischt sich die Krümel meiner im Ofen vergessenen und daher
leider vertrockneten Hackbällchen aus dem unregelmäßig gestutzten Schnauzbart
und kickt einen kleinen durchsichtigen Gegenstand unter den Küchentisch.
Seufzend lasse ich mein Übergewicht sacken, sorgsam darauf bedacht, dem
belgischen Polizisten den Anblick eines Klempnerdekolletés zu ersparen, angle
den Schnuller und werfe ihn in den Müll.
    Marcel schüttelt den Kopf, fischt das Teil wieder heraus und legt es
mit der jetzt minzblattgarnierten Spitze auf den Tisch. »Würde ich nicht tun.
Vielleicht braucht ihn dein Freund ja noch, für das Baby stillzustellen.«
    »Bestimmt sogar«, sage ich, ebenso über das Eifeler für zu seufzend wie auch über die Tatsache, dass sich
Gudrun in Heins ehemaligem Kinderzimmer jetzt nicht nur allein einquartiert
hat. Wie schon so oft kann Marcel meine Gedanken lesen.
    »Gönn es ihr doch.«
    Was denn, der glaubt doch nicht etwa, ich sei eifersüchtig? Nur die
Sorge um meine künftige Kellnerin lässt mich auf diesen dummen Spruch überhaupt
eingehen: »Sie haben keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Herr Polizeiinspektor, dieser
Mann ist dazu konstruiert worden, um Frauen unglücklich zu machen.«
    »Du solltest nicht immer nur von dir ausgehen.«
    »Er hat mich nicht unglücklich gemacht.«
    »Du hast mit ihm also das reine Glück erlebt?«
    Die Wendung des Gesprächs ärgert mich.
    »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie auf die vertrauliche Anrede
verzichten würden, Herr Polizeiinspektor.«
    »Für die Verbundenheit ist mir kein Opfer zu groß, Frau Klein.«
    »Außerdem finde ich es geschmacklos mit dem Säugling im Wäschekorb
daneben. Ganz davon abgesehen, dass die beiden bestimmt vergessen werden, das
Kind zu wickeln, und ich meine ganze Wäsche noch mal machen kann.«
    »Lehr mich einer, Eure Prioritäten zu verstehen«, weicht Marcel in
der Anrede auf die Eifeler Hybridbezeichnung zwischen dem förmlichen Sie und
dem vertraulichen Du aus. »Findet Ihr es nicht erheblich geschmackloser, sich
zu einer anderen Frau ins Bett zu legen, während die eigene vermisst wird?«
    Recht hat er. Frühestens morgen werden wir wissen, ob das Blut am
Bunkerstein von Gaby stammt. Die Zeitungen werden morgen auch ein Bild der
Vermissten bringen. Ich habe mir das Foto genau angesehen, als Hans-Peter es
den Polizisten aus Schleiden aushändigte. Zum ersten Mal blickte ich meiner
einstigen Konkurrentin in die kunstvoll geschminkten saphirgrünen Augen. Auf
früheren schwarz-weißen Pressefotos war ihr die Löwenmähne immer ins ebenmäßige
Gesicht gefallen, weit über die Schultern herabwallende kastanienbraune Locken,
wie ich heute auf Hans-Peters abgegriffenem Portemonnaiefoto feststellen
konnte. Eine klassische Schönheit, die sicherlich schon Fettabsaugung erwägt,
wenn das kleine Schwarze in Größe 36 auf den Hüften spannt. Mein kleines Schwarzes könnte auf dem Kleiderbügel als kleines Gothik-Eventzelt
durchgehen. Aber genau so etwas trug ich, als mich Hans-Peter auf einem
Berliner Wohltätigkeitsbasar einst angebaggert hat. Warum nur, wenn neben ihm
eine solche Julia-Roberts-Göttin erstrahlte? Weil er sich einmal im Leben nicht
an herausstakenden Hüftknochen blaue Flecken holen wollte? Aber ein so übergewichtiges
Kontrastprogramm hält man doch nicht über vierzehn Jahre aus!
    »Vielleicht hat er mich wirklich geliebt.«
    Leider spreche ich den Gedanken laut aus.
    Erschrocken erwarte ich von Marcel einen beißenden Hinweis auf das
Foto dieser hinreißenden Societydame und fordere im vorauseilenden
Rechtfertigungszwang meine Sarkasmusquelle zum Sprudeln auf.
    »Das hat er bestimmt«, schockt mich die Erwiderung

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