Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
bemühter
Heiterkeit. Hat sie das Kind etwa an ein eigenes erinnert? Das sie aufgeben
musste, als sie in die Krewinkeler Kommune zog? Das jetzt bei einem
schrecklichen Vater lebt? Oder das gestorben ist? Seltsam, wie mich die Lebensgeschichten
von Menschen interessieren, seitdem ich in die Eifel gezogen bin. Liegt
vielleicht daran, dass die Gegend so dünn besiedelt ist. Die tausenderlei
Dramen, die sich vermutlich im Umkreis meiner einstigen Berliner Wohnung
abgespielt haben, hätten mich damals nicht die Bohne interessiert. Der
Minimalismus macht’s.
»Als Uraltbock würde ich ihn nicht gerade bezeichnen«, antworte ich,
»wenn man davon absieht, dass er schon in jungen Jahren ziemlich alt und
eingefahren war.«
»Du machst mich neugierig.«
»Lohnt sich nicht«, sage ich in einem Ton, der noch eine Spur
abfälliger ist als der bei meiner Bemerkung über die Verkehrspolizei.
»Das ist ein ganz wunder Punkt bei unserer Katja«, wirft Marcel
maliziös ein.
»Überhaupt nicht!«, fahre ich ihn an. »Alles vergessen und verjährt.
Und der Mann hat mir übrigens nicht meine besten Jahre gestohlen! Die habe ich
auf jeden Fall noch vor mir.«
Marcel erhebt sich und drückt den angerauchten Zigarillo in einer
Untertasse aus.
»Ich muss jetzt los, Katja. Danke für das Essen. Und entschuldige
bitte, dass ich heute Nachmittag so grob werden musste.«
»Rufst du an, wenn du was über Jupp oder Hans-Peters Frau
erfährst?«, frage ich.
»Klar«, erwidert er müde. »Solange es nicht die Recherchen
beeinträchtigt.«
Er sieht richtig abgekämpft aus, als er sich die Jacke anzieht.
Fahrig steckt er den zweiten Knopf ins erste Knopfloch. Wie gebannt betrachte
ich das Verschwinden des Filzschreiberflecks auf dem Hemd und schaffe es auch
nicht, Marcel zu korrigieren, als er ratlos am letzten leeren Knopfloch herumfummelt
und so etwas wie »Bic ausgelaufen« und »Knopfannähen« murmelt.
»Ich fahre übrigens durch Krewinkel«, sagt er zu Cora und sieht sie
fragend an.
»Das trifft sich gut«, sagt die Igelfrau, »ich bin zu Fuß
hergekommen. Soll ja gesund sein. Aber bergab ist schlecht für die Knie.
Außerdem sollte man Polizeischutz in finsterer Eifelnacht nicht ausschlagen.«
Sie steht auf und tippt Marcel wieder an die Brust. »Du hast dich verknöpft«, bemerkt
sie und fragt neugierig: »Im Auto kannst du mir ja erzählen, an was für Ermittlungen
du gerade arbeitest. Und was es mit Jupp und Klaus-Peters Frau auf sich hat.«
»Hans-Peter«, verbessere ich.
»Hans-Peter«, wiederholt Cora gehorsam. »Ein Freund von dir? Hat ihn
seine Frau verprügelt? Soll ja bei den kräftigen Eifeler Damen vorkommen«,
setzt sie mit Seitenblick auf Marcel hinzu, »oder er sie? Oder was ist da los?
Gehört ihm der schicke Sportwagen vor der Tür? Hast du auch noch ein Hotel,
oder warum schläft der Mann hier?«
Marcel und ich wechseln einen Blick.
»Kommt schon«, drängt die Igelfrau, »hier passiert so wenig, da
dürft ihr mir eine spannende Geschichte nicht vorenthalten. Schon gar nicht,
wenn sie sich quasi vor meiner Haustür abspielt.«
»Glaub mir«, sage ich, und meine Stimme klingt jetzt so müde, wie
Marcel aussieht. »Du willst gar nicht wissen, was hier auf der Kehr so alles
abgeht.«
»Doch!«, gibt sie zurück. »Kannst du nicht morgen mal bei uns
vorbeikommen und mir alles erzählen?«
»Ich wüsste gar nicht, wo ich da anfangen sollte«, sage ich ehrlich.
»Horch lieber Marcel auf der Autofahrt aus. Linus, du Miststück!«
Klirr. Ich bin zu spät. Während unseres Wortwechsels hat die Spitze
der Hundeschnauze die Schüssel mit den übrig gebliebenen Hackbällchen
sukzessive über den Tisch und letztendlich über dessen Rand bugsiert. Und jetzt
fischt sich das Viech zwischen den sauber zerbrochenen Steingutteilen ein
zweites Abendessen heraus.
Noch ein Scherbenhaufen. Ist jetzt auch egal.
Zu dritt beobachten wir das fröhlich schmatzende Tier.
»Hol’s ihm nicht übel«, sagt Marcel und gerät ins Philosophieren:
»Bei Hunden ist es wie bei Menschen. Was anfangs an Erziehung versäumt wurde,
kann nie nachgeholt werden.«
»Ist der Ruf erst ruiniert, frisst man gänzlich ungeniert«,
pflichtet ihm Cora bei.
»So isses«, sage ich trocken.
»Oje.« Cora nimmt meinen Umfang betroffen in Augenschein.
»Entschuldigung. So habe ich das doch nicht gemeint. Das ist mir aber jetzt
peinlich.«
»Muss es nicht sein. Stimmt ja«, sage ich, meine es und finde, dass
sich das Thema damit erledigt hat. Aber Marcel
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