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Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Begriffe selbst, für Unfug.
    Kurzum, für die Leute auf der Kehr fing mein Leben erst an, als ich
vor über einem Jahr hier auftauchte und alles durcheinanderbrachte. Seitdem die
Ordnung wiederhergestellt ist, gehöre ich plötzlich genauso dazu wie die Flechten,
die sich nach einem Gewitter in den Spalten eines vom Blitz getroffenen Baumes
niederlassen. Ich gehöre jetzt so sehr dazu, dass auch mir der Mann aus meiner
Vergangenheit wie ein Eindringling vorkommt.
    Der Mann. Auf Marcels zutreffende
Unterstellung brauche ich nicht einzugehen, denn Hans-Peter stellt sich eilfertig
selbst vor und streckt die Rechte aus.
    Die Marcel nicht ergreift, da er mit nervenzermürbender Langsamkeit
die Windeln auf dem Tisch deponiert.
    »Marcel Langer«, übernehme ich die Vorstellung, während Gudrun das
Kind ergreift und neben meiner Minzhackschüssel mit sicheren Griffen
auswickelt. »Polizeiinspektor aus Sankt Vith.«
    Der kleine Teufel, der mich schon seit Hans-Peters Erscheinen
reitet, verschafft sich Gehör: »Eben genau der Mann, den wir in dieser prekären
Lage jetzt brauchen. Marcel, die Ehefrau von Herrn Kellenhusen ist spurlos verschwunden.«
    »In Belgien?«, fragt Marcel.
    »Wieso Belgien?«, will Hans-Peter wissen.
    »Weil er dann ermitteln muss. Das ist hier Grenzgebiet«, kläre ich
den Berliner Lokalpolitiker auf, »und Fledermausbunker kennen keine Grenzen.«
    »Stimmt nicht«, widerspricht mir Marcel. »Die Bunker haben die
Deutschen gebaut. Aber was hat das mit dem Verschwinden Ihrer Frau zu tun?«
    Hans-Peter schaut versonnen zu, wie Gudrun den Enkel mit einer neuen
Windel versieht, murmelt erst: »Schöne Hände«, reagiert nicht auf meinen
empörten Einwurf: »Aber die Grenzen wurden doch ständig verschoben« und sagt
dann stolz zu Marcel: »Meine Frau stammt aus einer Familie von extrem
erfolgreichen Fledermausforschern und ist heutzutage die größte Koryphäe auf
diesem Gebiet.«
    Und deine Geliebte war eine übergewichtige Moderedakteurin, denke
ich, mühsam den Zorn über meine mit Einfalt gepaarte Überheblichkeit von fast
anderthalb Jahrzehnten unterdrückend. Mit diesem einen Satz sind alle Vorhänge
gefallen, und ich muss einer sehr unangenehmen Realität ins Auge schauen.
Hans-Peter hat mich nicht nur hingehalten, sondern auf der ganzen Linie
belogen. Das in seiner Eingeengtheit bedauerliche, ihm angetraute Geschöpf der
alten Tage, das hat es nur in seinen Gesprächen mit mir gegeben. Für mich und
sein eigenes Selbstwertgefühl hatte er jene Ehefrau erfunden, die er sich
erträumt hatte. Ein von ihm gänzlich abhängiges armes Hascherl, das den Kopf in
die Ofenröhre stecken würde, wenn es seines einzigen Sinns, nämlich des
lebenserhaltenden Ehemannes, beraubt werden würde. Aus lauter Solidarität mit
einem solch erbärmlichen weiblichen Schicksal hatte ich natürlich nichts
einzufordern gewagt. Und hatte, um selbst nicht unterzugehen, mit meinen
Pfunden feministisches Selbstbewusstsein demonstrieren wollen. Aber ich hatte
mit ihnen gewuchert. Und verloren.
    Ich starre den Mann mit dem schütteren Haar, dem geliehenen
Fledermausruhm und dem schon wieder plärrenden Enkel an. »Tu, tu, tu«,
beschwichtigt Gudrun, steckt dem Kind einen Löffel Babybrei in den Mund und
wirft Hans-Peter einen verschwörerischen Blick zu. »Braves Baby!«
    »Als Fledermausforscherin hat sie in den deutschen Bunkern ein weites Betätigungsfeld«, überlegt Marcel. »Wann
ist sie denn verschwunden?«
    Hans-Peter antwortet erst nach kurzem Zögern. Marcels Augen verengen
sich – oh, wie ich diesen Blick kenne und einst gefürchtet habe!
    »Vorgestern!«, wiederholt er entsetzt. »Und da haben Sie bisher
nichts unternommen?«
    Hans-Peter nickt zu dem Säugling hin. »Ich musste doch auf das Kind
aufpassen. Und Fledermäuse sind nachtaktiv. Es kommt immer wieder vor, dass sie
mal eine Nacht wegbleibt.«
    »Aber gleich zwei?«, fragt Marcel.
    Hans-Peter schüttelt den Kopf. »Deswegen mache ich mir ja jetzt auch
Sorgen.« Er zieht aus der Windeltasche einen Messtischplan und breitet ihn aus.
    »Hier hat sie die Bunker eingezeichnet, die sie aufsuchen wollte.«
    »Wieso hat sie den Plan nicht mitgenommen?«
    »Sie wusste wohl auch ohne genau, wo sie hinwollte«, erwidert er.
    »Dann weiß ich es auch«, bemerkte Marcel. »Es gibt hier ganz in der
Nähe einen sehr großen Bunker, den sich die Umweltfritzen immer wieder
vorholen, weil die Spalten voller Fledermäuse stecken. Sonst finden die armen
Viecher ja keine

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