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Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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aufgelauert und
ihr dort den Schädel eingeschlagen!«
    »Entschuldigung, aber du hast mir schon mal Entscheidendes
verschwiegen«, erwidert Marcel leise und fordert uns auf, ihm durch den hohen
Farn zu folgen. Ich kenne den gespenstischen Anblick, der sich uns gleich
bieten wird, doch Hans-Peter ist gänzlich unvorbereitet.
    »Das gibt es doch gar nicht«, flüstert er erschüttert, blickt hinab
in die von allen möglichen Pflanzen überwucherte Schlucht mit der riesigen
zerklüfteten Betonwand. Zwei schmale Eingänge deuten den Einstieg in die
Unterwelt an.
    Linus jault kurz auf und prescht dann durch den Wald davon. »Linus!
Hiergeblieben!«, rufe ich, aber natürlich vergebens.
    »Vorsicht«, warnt uns Marcel, als wir uns an den Abstieg begeben.
Ich gleite aus, falle auf den Hintern und rutsche nach unten. In seinen
schwarzen, inzwischen eingestaubten Halbschuhen versucht Hans-Peter, wie ein
aus der Übung geratener Seiltänzer die Balance zu halten. Glücklich unten
angelangt, nähert er sich der Öffnung, in deren nach unten führendes Dunkel ich
hineinsehe.
    »Da wird sie doch nicht etwa reingegangen sein!«, bemerkt er
entgeistert.
    »Ist doch nichts neben dem Himalaja«, werfe ich ein, »da, wo sie
doch sonst immer so flink rumkraxelt.«
    Marcel, der sich an einem viereckigen Betonloch zwischen den
Eingängen zu schaffen gemacht hat, zieht sein Handy aus der Tasche.
    »Wen rufst du an?«, frage ich.
    Er antwortet nicht, sondern spricht leise ins Gerät. Uns hält er mit
einer Handbewegung auf Abstand.
    »Blut«, verstehe ich, und »mögliche Gewalttat«.
    Hans-Peter wird kreidebleich.
    »Ihr beide geht am besten zur Einkehr zurück«, sagt Marcel sachlich. »Die Kollegen aus Schleiden werden gleich hier
sein. Geht genau den gleichen Weg zurück, damit ihr nicht noch mehr Spuren
zerstört.«
    »So sagen Sie doch! Was ist da?!«, ruft Hans-Peter.
    »Es sieht nach Blut aus«, erwidert der belgische Polizist. »Nicht
viel, aber auch nicht wenig, vielleicht ein paar Tage alt. Muss nicht unbedingt
etwas bedeuten. Nein, bleiben Sie, wo Sie sind!«
    »Du hast von möglicher Gewalttat gesprochen, Marcel!«
    »Ist ja auch nicht auszuschließen. Sammele lieber Linus ein, Katja.
Der bellt ja wie verrückt.«
    »Gaby hat Blutgruppe Null«, sagt Hans-Peter und starrt auf den Rand
des Betonlochs.
    »Nicht näher kommen. Gehen Sie«, befiehlt Marcel und setzt
begütigend hinzu: »Sie können doch das Blut Ihrer Frau, falls es das ist,
sowieso nicht identifizieren.«
    Zittrige, kaltnasse Finger greifen nach meinen. Ich zucke kurz
zusammen. Die erste Berührung nach anderthalb Jahren. Nach einer Stunde des
Wiedersehens. Irgendwas, das ich nicht benennen kann, geht tief drinnen in mir
vor. Irgendwas bricht da auf, was längst begraben sein sollte. Jetzt bloß nicht
der Dackelblick. Ich schaue zu Marcel hinüber. Eine schlanke Statue mit
erhobenem Arm. Mund und Augen gleichen Strichen.
    »Komm, beruhige dich, alles wird gut«, sage ich mehr zu mir als zu
Hans-Peter, als ich mit ihm an der Hand wieder emporklimme, »freu dich doch,
dass da unten keine Leiche liegt.«
    »Dein Zynismus ist unerträglich!«, schreit er mich an, reißt seine
Hand los, verliert die Balance und stürzt zurück ins Loch.
    Ich kümmere mich nicht um ihn, bin irgendwie erleichtert, seine Hand
nicht mehr in meiner zu spüren, steige allein auf und rufe laut meinen Hund.
Der kommt nicht, sondern bellt weiter. So, wie ich ihn noch nie gehört habe. Irgendwie
verzweifelt. So, als ob er mich rufen würde. Als ob
er ratlos sei. Von böser Ahnung beflügelt, fange ich an zu rennen. Jetzt, etwa
hundert Meter vom Bunker entfernt, sehe ich Linus zwischen zwei Fichten, von
denen eine tot ist.
    Genau wie die Frau, die auf eine Decke gebettet neben meinem Hund
liegt.
    »Nein!«, schreie ich in den Wald hinein. »Nein!«
    Ich kenne die Tote. Es ist nicht Hans-Peters Frau.

Zweites Gericht
    Katjas Mammutragout
    Hirschbraten in Printen-Backpflaumen-Soße auf Mammutpasta mit
gerösteten Steinpilzblättchen und Cranberrys
    »Nichts anfassen«, höre ich Marcel von fern rufen. Ich
schalte seine Stimme aus, lasse mich auf dem Waldboden nieder, blicke auf die
geschlossenen Augen der sogar mit offenem Mund friedlich lächelnden toten Frau,
bette ihr winziges altes Köpfchen auf meinen Schoß und streichele ihr sanft die
Schläfen. Tränen rinnen mir über die Wangen und tröpfeln auf die von einem
verblichenen, aber sauber gebügelten Blümchenstoff verhüllte

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