Pendergast 01 - Relic - Museum der Angst
Aberglaube-Ausstellung aufgebaut. Die doppelte Glastür war von innen mit schwarzem Papier zugeklebt, und davor hing ein Schild, auf dem stand:
Hier wird eine Ausstellung aufgebaut. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Die linke Tür war zugesperrt, aber die rechte ließ sich ohne Mühe öffnen.
So gleichgültig wie möglich blickte Margo über ihre Schulter zurück. Da war niemand.
Sie schloß die Tür hinter sich und befand sich in einem engen Raum zwischen der Außenwand der Galerie und der Ausstellung. Sperrholzplatten und große Nägel lagen kreuz und quer herum, am Boden waren elektrische Kabel verlegt. Links von Margo befand sich ein großes, aus Gipsplatten und Brettern zusammengenageltes Gebilde, das von hölzernen Stützpfeilern getragen wurde und aussah wie die Rückseite einer Filmkulisse. Von dieser Seite aus würde kein zahlender Besucher die Aberglaube-Ausstellung jemals zu Gesicht bekommen.
Margo tastete sich vorsichtig weiter und suchte nach einem Weg in die Ausstellung hinein. Das Licht war schlecht – nur alle sieben bis acht Meter brannte eine einzelne, nackte Glühbirne –, und Margo paßte auf, daß sie nicht stolperte und hinfiel. Bald kam sie zu einem Spalt zwischen zwei Sperrholzwänden, durch den sie sich grade eben hindurchzwängen konnte.
Margo gelangte in einen großen, sechseckigen Vorraum. Unter gotischen Spitzbögen zweigten an drei Wänden Gänge ab, die sich in der Dunkelheit verloren. Das meiste Licht kam von mehreren von hinten beleuchteten Großdias hoch oben an den Wänden, auf denen Schamanen verschiedener Völker zu sehen waren. Margo betrachtete nachdenklich die drei Ausgänge. Sie hatte keine Ahnung, wo in der Ausstellung sie sich befand und ebensowenig, wo der Ein- oder der Ausgang war und wo sie Moriarty finden konnte. »George?« rief Margo leise, der es irgendwie nicht gelang, in der dämmrigen Stille ihre Stimme zu erheben.
Sie nahm den mittleren Gang, der sie in eine weitere dunkle Halle führte, die nicht größer als die vorherige und voller Ausstellungsstücke war.
In gewissen Abständen beleuchteten helle Punktscheinwerfer Kult- und Gebrauchsgegenstände: eine Maske, ein Messer aus Knochen, eine seltsame Schnitzerei, die mit Nägeln verziert war. Die Gegenstände schienen in einer samtigen Dunkelheit zu schweben, und an der Decke waren verrückte Muster aus Licht und Schatten zu sehen.
Am anderen Ende der Galerie standen die Stellwände enger beieinander. Margo hatte das seltsame Gefühl, eine tiefe Höhle zu betreten.
Ganz schön manipulativ,
dachte sie. Sie konnte verstehen, warum Frock etwas gegen die Ausstellung hatte. Margo ging immer tiefer in die Dunkelheit und hörte nichts weiter als ihre eigenen Schritte auf dem dicken Teppich. Sie konnte die Ausstellungsstücke erst dann sehen, wenn sie kurz davor stand, und fragte sich, wie sie wohl den Rückweg in die Halle der Schamanen finden sollte. Vielleicht gab es ja irgendeinen unversperrten Ausgang – einen gut beleuchteten, versteht sich, irgendwo anders in der Ausstellung.
Direkt vor Margo gabelte sich der schmale Gang. Nach einem Augenblick des Überlegens entschied sich Margo für die rechte Abzweigung. Im Weitergehen bemerkte sie, daß sich in den Wänden zu beiden Seiten kleine Schaukästen befanden, die alle je ein einziges, grotesk aussehendes Ausstellungsstück enthielten. Die Stille war so intensiv, daß Margo unwillkürlich den Atem anhielt.
Der Gang verbreiterte sich schließlich zu einer Art Kammer, und Margo stand einer Reihe von tätowierten Maori-Köpfen gegenüber. Es waren keine Schrumpfköpfe – die Schädelknochen waren ganz offensichtlich noch vorhanden. Ein Schild verriet, daß sie durch Räuchern konserviert worden waren. Die Augenhöhlen waren mit Pflanzenfasern ausgestopft, die mahagonifarbene Haut glänzte und die schwarzen, verschrumpelten Lippen entblößten gelblich schimmernde Zähne. Es waren sechs Köpfe, die Margo aus der Dunkelheit angrinsten. Die blauen Tätowierungen an Wangen, Stirnen und Nasen waren atemberaubend komplex: verschlungene Spiralen, die sich in endlosen Mustern immer wieder gegenseitig trafen. Die Tätowierungen, so gab das Schild Auskunft, waren zu Lebzeiten angebracht und die Köpfe als ein Zeichen des Respekts vor den Toten konserviert worden.
Direkt hinter den Masken erkannte Margo, daß die Galerie spitz auf einen Punkt zulief. Davor stand ein massiver, gedrungener Totempfahl, der von unten in ein fahles, orangefarbenes Licht getaucht war.
Weitere Kostenlose Bücher