Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
gehört wohl nicht gerade zu Ihren Stärken, Sergeant Hayward, oder?«
fragte er »Und wieso sind Sie so sicher, daß die Sache für Waxie von Vorteil ist?« Er fand eine Zigarre, bohrte mit einem Bleistift ein Loch in ihre Spitze und zündete sie an.
Zwei Stunden später, als D'Agosta gerade die Akten für Waxie zusammensuchte, kam Pendergast in sein Büro geschlendert.
Es war der Pendergast, wie D'Agosta ihn kannte: schwarzer frisch gebügelter Maßanzug, die weißblonden Haare sorgfältig nach hinten gekämmt, rotbraune auf Hochglanz gewienerte Gucci-Mokassins. Wie immer erinnerte er D'Agosta eher an einen modebewußten Bestattungsunternehmer als an einen FBI-Agenten.
»Darf ich?« fragte Pendergast und deutete in Richtung Besucherstuhl.
D'Agosta nickte, und Pendergast ließ sich mit katzenartiger Anmut in den Stuhl sinken. Er sah sich um und entdeckte die Pappkartons mit den Akten und den leeren Fleck an der Wand, wo der Stadtplan gehangen hatte. Mit fragend erhobenen Augenbrauen wandte er sich wieder D'Agosta zu.
»Der Fall gehört jetzt Waxie«, sagte dieser ungefragt. »Soll er sich doch darüber den Kopfzerbrechen. Ich bin nicht mehr der Leiter der Untersuchung.«
»Sie scheinen mir aber nicht allzu unglücklich über diese Wendung der Ereignisse zu sein.«
»Wieso sollte ich auch unglücklich sein?« fragte D'Agosta zurück. »Sehen Sie sich doch mal genau um. Der Stadtplan ist weg, die Akten sind verpackt, Hayward ist nach Hause gegangen, der Kaffee ist heiß, und meine Zigarre brennt. Ich fühle mich ausgezeichnet.«
»Das möchte ich bezweifeln. Aber vermutlich werden Sie heute nacht besser schlafen als unser verehrter Freund Waxie. Schwer ist die Krone dem Kopf, der sie trägt.« Er sah D'Agosta amüsiert an. »Und was machen Sie als nächstes?«
»Na ja, ich bin immer noch für den Fall zuständig. Wie und in welchem Umfang hat Waxie mir allerdings nicht mitgeteilt.«
»Vermutlich weiß er es selber nicht. Aber wir werden schon dafür sorgen, daß Sie nicht hier herumsitzen und Däumchen drehen«, meinte Pendergast und verstummte, während D'Agosta sich in seinem Stuhl zurücklehnte und seine Zigarre ebenso genoß wie die Stille.
»Waren Sie schon mal in Florenz, Vincent?« fragte Pendergast schließlich.
»Nein«, erwiderte D'Agosta. »Aber ich war kürzlich in Italien. Habe mit meinem Sohn letztes Jahr seine Großmutter besucht.«
»Schade. Sie hätten den Palazzo Pitti besuchen sollen.«
»Wen?«
»Das ist ein Kunstmuseum, keine Person. Es gibt dort ein Fresco, das eine Weltkarte darstellt. Es wurde ein Jahr vor der Entdeckung Amerikas gemalt.«
»Ist das wahr?«
»Dort, wo sich Amerika befindet, ist auf der Karte ein weißer Fleck, auf dem folgende Worte zu lesen sind: Cui ci sono dei mostri .«
D'Agosta verzog das Gesicht »Hier sind die ...«, übersetzte er.
»Was sind mostri ?«
»Monstren.«
»Stimmt. Mein Italienisch ist ganz eingerostet. Dabei habe ich es als Kind viel mit meinen Großeltern gesprochen.«
Pendergast nickte. »Lieutenant, raten Sie doch mal, welches Gebiet der Erde heute am schlechtesten kartographisch erfaßt ist.«
»Keine Ahnung«, antwortete D'Agosta mit einem Achselzucken. »Milwaukee vielleicht?«
»Nicht schlecht«, meinte Pendergast mit einem leisen Lächeln.
»Aber es stimmt nicht. Und es ist auch nicht die Äußere Mongolei oder die Antarktis. Es ist der Untergrund von New York.«
»Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen?«
»Nichts liegt mir ferner«, grinste Pendergast »Der Untergrund von New York erinnert mich an das Fresco im Palazzo Pitti, Vncent. Er ist ein unerforschtes Gebiet Und er scheint schier unglaubliche Ausdehnungen zu haben. Wußten Sie, daß es allein unter dem Central Park zwölf verschiedene Ebenen gibt – die Kanalisation nicht einmal mitgezählt? Unter der Pennsylvania Station gibt es sogar noch mehr Stockwerke.«
»Dann waren Sie also dort unten?« fragte D'Agosta.
»Ja, und zwar nachdem ich bei Ihnen hier im Revier war. Es war eine Er kundungstour, mehr nicht. Ich wollte mich mit dem Terrain vertraut machen, ausprobieren, wie ich mich im Untergrund zurechtfinden kann. Ich habe mit ein paar von den Tunnelmenschen gesprochen. Sie haben mir viel erzählt und noch mehr angedeutet.«
D'Agosta beugte sich vor. »Haben Sie auch etwas über die Morde erfahren? Pendergast nickte. »Indirekt schon. Aber die, die wirklich etwas darüber wissen, leben in den Ebenen, in die ich mich noch nicht hinunter wage. Es dauert eine
Weitere Kostenlose Bücher