Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
Brisbane? Nehmen Sie zum Beispiel die Verfassung. Immer, wenn’s einem am wenigsten passt, beruft sich irgendjemand auf sie.«
Brisbane ließ sich mit hochrotem Kopf in den Schreibtischsessel fallen. »Das muss ich mit dem Verwaltungsrat klären.« Pendergast lächelte. »Ein sehr weiser Entschluss, Mr. Brisbane. Ich finde auch, dass dieses Problem intern geklärt werden sollte. Vorausgesetzt, das Museum kommt mir entgegen und ist damit einverstanden, dass Dr. Kelly mich bei der Lösung meines Problems unterstützt. Wobei ich Ihnen zusichere, dass ich Dr. Kellys Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen werde.«
Langes Schweigen. Dann sah Brisbane hoch und sagte in gottergebenem Ton: »Ich verstehe.«
»Es wird sich vornehmlich um archivarische Tätigkeiten handeln. Sie ist immer zu erreichen und steht Ihnen, wenn Sie sie brauchen, jederzeit zur Verfügung.«
Brisbane nickte.
»Und was das – äh – unerwünschte öffentliche Echo angeht: Wir werden natürlich sehr bemüht sein, das Ganze vertraulich zu behandeln.«
»Ja, das ist wohl am besten.«
»Ich möchte noch hinzufügen, dass Dr. Kelly sich mir nicht aufgedrängt hat. Im Gegenteil, sie hat mich klipp und klar wissen lassen, dass sie lieber an der Analyse ihrer Töpfereifunde weiterarbeiten würde.«
Ein dunkler Schleier schien über Brisbanes Gesicht gefallen zu sein. Nora rätselte, was wohl in ihm vorgehen mochte. Insgeheim fürchtete sie, dass die harten Bandagen, mit denen Pendergast sein Anliegen durchgesetzt hatte, sich für sie und ihre berufliche Zukunft im Museum letztendlich nicht förderlich auswirken würden.
»Wo, sagten Sie, kommen Sie her?«, fragte Brisbane.
»Das habe ich bisher nicht erwähnt. Aus New Orleans.« Brisbane rang sich ein dünnes Lächeln ab. »Ah ja, das hätte ich aus dem Akzent schließen können. Nun, Mr. Pendergast, dann haben Sie einen weiten Rückweg vor sich.«
Der Agent deutete eine knappe Verbeugung an und hielt Nora, die wie benommen aus Brisbanes Büro stolperte, die Tür auf.
Erst als sie ein Stück weit den Flur hinuntergegangen waren, blieb sie stehen und beklagte sich: »Da haben Sie mich schön reingelegt. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, worauf Sie hinauswollen. Und um ehrlich zu sein, ich schätze solche rüden Methoden nicht sonderlich.«
»Zugegeben, meine Methoden sind unorthodox, aber sie haben einen entscheidenden Vorteil.«
»Und der wäre?«
»Sie führen zum gewünschten Ergebnis.«
»Aha. Und was wird aus meiner Karriere?«
Pendergast lächelte. »Darf ich ein bisschen Hellseher spielen? Wenn das alles vorbei ist, rücken Sie eins rauf.«
Nora schnaubte geringschätzig. »Was Sie nicht sagen! Sie setzen meinen Chef unter Druck und machen ihn in meiner Gegenwart zur Minna, und er sorgt zum Dank anschließend dafür, dass ich eins raufrücke?«
»Ich weiß, dass ich mich bei gelernten Bürokraten nicht gerade beliebt mache. Eine schlechte Angewohnheit, aber ich kann nicht dagegen an. Dennoch werden Sie feststellen, dass man mit Druck viel erreichen kann, wenn man klug vorgeht.«
Auf der Treppe blieb sie abermals stehen. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Weshalb kümmert sich das FBI um Morde, die mehr als ein Jahrhundert zurückliegen?«
»Alles zu seiner Zeit, Dr. Kelly! Lassen wir’s einstweilen dabei bewenden, dass ich – ganz unter uns – diese Morde … nun ja, ziemlich interessant finde.«
Irgendetwas an der Art, wie er das Wort »interessant« aussprach, jagte Nora ein kaltes Schaudern über den Rücken.
Männer im Dienste
der Wissenschaft
1
Der Weg zu dem riesigen, im Kellergeschoss gelegenen Zentralarchiv des Museums gestaltete sich zu einer wahren Odyssee durch das verzwickte Geflecht aus Fahrstühlen, Fluren, Treppen und Verbindungsgängen. Nora war noch nie dort unten gewesen, sie kannte auch niemanden, der ihr nützliche Tipps geben konnte, und so beschlich sie, als sie nun tiefer und tiefer in die Unterwelt des Museums eindrang, das mulmige Gefühl, dass sie womöglich längst irgendwo falsch abgebogen war.
Zum Einstellungsritual des Museums gehörte eine Führung durch die Ausstellungsräume und die verwinkelten Wege, die von einem Bürotrakt zum anderen führten. Auch sie hatte seinerzeit an so einer Führung teilgenommen und dabei eine Menge Interessantes erfahren, zum Beispiel, dass es sich, gemessen an der räumlichen Ausdehnung, um das größte Museum der Welt handelte, einen Moloch aus zwei Dutzend im Laufe der Zeit miteinander
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