Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
ausstellungswürdig.«
»Kann ich mir die Unterlagen ansehen?«
»Aber natürlich«, versicherte Puck erfreut und schlurfte sofort wieder los. »Gleich um die Ecke.«
Sie machten vor zwei Regalen Halt, auf denen sich die Schachteln bis zur Decke stapelten. Auf einer klebte ein Zettel, der Noras Neugier weckte. Sie entnahm ihm, dass es sich um das Inventarverzeichnis der von
J. C. Shottum als Gegenleistung für erwiesene und künftige Dienste an T. F. McFadden übereigneten Stücke
handelte.
In den unteren Regalfächern reihten sich allerlei Kuriositäten aneinander. Bizarr geformte, mit Wachspapier überzogene Tiere, die verdächtig an Fabelwesen erinnerten. In einem bauchigen Glasbehälter schwamm ein Schwein mit zwei Köpfen. Daneben lag eine riesige, in sich verknotete Anaconda. Auch das Huhn mit sechs Beinen und vier Flügeln und der ausgehöhlte Elefantenfuß, der anscheinend als Behältnis dienen sollte, fehlten nicht.
»Der arme Tinbury«, jammerte Puck. »Er würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, dass all seine Schätze hier unten verkümmern. Er hat geglaubt, es handele sich um Dingevon wissenschaftlichem Wert. Damals waren eben viele Kuratoren Laien, ohne abgeschlossenes Fachstudium.« Nora deutete auf den aufgeklebten Zettel. »Das liest sich, als hätte Shottum einige seiner Ausstellungsstücke McFadden als Gegenleistung für dessen Mitarbeit überlassen?«
Puck nickte. »Eine durchaus übliche Praxis«.
»Demnach müssten einige Stücke aus dem Shottum-Kabinett stammen?«
»Zweifellos.«
»Könnte ich mir die ebenfalls ansehen?«
Pucks Gesicht verklärte sich. »Ich werde alles in den Leseraum schaffen und übersichtlich auf Tischen aufbauen lassen. Sobald ich fertig bin, bekommen Sie Bescheid.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Einen Tag.« Das Gesicht des alten Herrn war vor Aufregung gerötet. So viel Interesse wurde ihm selten zuteil. »Schaffen Sie das ohne fremde Hilfe?«
»Oh, Oscar Gibbs, mein Assistent, wird sich darum kümmern. Er arbeitet normalerweise in der Osteologie, weil wir ja hier unten selten Besucher haben. Aber wenn er gebraucht wird, kann ich ihn jederzeit anfordern.«
»Das wäre sehr freundlich von Ihnen.«
»Ich bitte Sie, meine Liebe, das ist mir ein Vergnügen.«
»Ich werde übrigens einen Kollegen mitbringen.«
Puck sah sie verblüfft an. »Einen Kollegen?« Er wand sich vor Verlegenheit. »Sie wissen ja, die neuen Sicherheitsbestimmungen … nur Mitarbeiter des Hauses haben Zutritt zum Archiv. Und die Förderer des Museums, versteht sich. Wissen Sie, früher wurde das großzügiger gehandhabt, aber jetzt …«
»Nun, Special Agent Pendergast unterhält – wie soll ich es ausdrücken? – so etwas wie gewachsene Beziehungen zu unserem Museum.«
»Agent Pendergast, sagten Sie? Der Name kommt mir bekannt vor. Pendergast … ja, jetzt erinnere ich mich wieder an ihn. Der Gentleman aus dem Süden.« Ein gequälter Zughuschte über Pucks Gesicht. »Ach du meine Güte!«, stöhnte er. »Aber gut, wenn Sie es wünschen … Ich erwarte Sie dann beide morgen früh um neun Uhr.«
2
Patrick Murphy O’Shaugnessy saß in Custers Büro und wartete darauf, dass der Captain endlich den Telefonhörer weglegte. Er saß seit fünf Minuten hier, aber bis jetzt hatte Custer ihm nicht mal zugenickt. Worauf O’Shaugnessy allerdings auch keinen gesteigerten Wert legte.
Er musterte gleichgültig die Wände. Anerkennungsurkunden, Plaketten von den Schießwettbewerben des Departments – Wandschmuck, der zumindest etwas Farbe ins Dienstzimmer brachte und allemal hübscher aussah als die gerahmte Seidenstickerei an der Längswand: Sumpflandschaft mit kleiner Hütte, das Ganze bei Nacht, samt Vollmond. Das Licht, das aus der Hütte fiel, malte einen romantischen goldgelben Schimmer auf das Sumpfwasser. Der ganze siebente Distrikt machte sich über Custers Geschmack lustig und lästerte darüber, dass der Captain sich so einen Kitsch ins Dienstzimmer hängte. O’Shaugnessy gehörte gewöhnlich zu den Lästerern, aber jetzt fand er die Stickerei einfach albern. Passte zu dem Captain. Custer legte den Hörer auf, das harte Klicken riss O’Shaugnessy aus seinen Gedanken, er sah hoch. Der Captain drückte auf einen Knopf der Rufanlage. »Sergeant Noyes, bitte zu mir.«
O’Shaugnessy verzog keine Miene, ahnte aber, dass sich irgendwas Unangenehmes anbahnte. Herbert Noyes, erst vor kurzem aus der Internen Revision zu ihnen versetzt, war Custers neuer persönlicher Assistent
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