Pendergast 03 - Formula - Tunnel des Grauens
da ein kleines Problem, O’Shaugnessy, und Sie sind genau der richtige Mann für die Sache. Meistens ging’s um Kleinkram, aber beidiesem Typ mit dem dicken Rolls lagen die Dinge anders. Roch verdammt nach Unrat. Nur gut, dass sein Vater, Gott hab ihn selig, nicht mehr erleben musste, wie der Stinkstiefel von Captain mit seinem Sohn umsprang. Fünf Generationen O’Shaugnessys im Polizeidienst, und nun saß er in der Scheiße. Er fragte sich, ob er die nächsten zwölf Jahre noch abreißen oder sich für eine Frühpensionierung mit Mindestbezügen entscheiden sollte.
Schluss mit dem Grübeln! Er würde die Augen offen halten und dafür sorgen, dass hinter seinem Rücken keine krummen Dinger gedreht wurden. »Also, welches Spiel wird hier gespielt?«, platzte er heraus.
Pendergast sagte gelassen: »Hier wird kein Spiel gespielt, Sergeant.«
»Natürlich nicht«, knurrte O’Shaugnessy, »hab ich mir schon gedacht.« Er spürte Pendergasts bohrenden Blick und drehte sich weg.
»Hier liegt offensichtlich ein Missverständnis vor, Sergeant.« Wieder der weiche Südstaatensingsang. »Das sollten wir schleunigst ausräumen. Wissen Sie, ich verstehe gut, dass Sie zu falschen Schlussfolgerungen kommen. Vor fünf Jahren wurden Sie bei einer Tonbandüberwachung dabei erwischt, dass Sie sich von einer Prostituierten zweihundert Dollar zustecken und sie dafür laufen ließen. Man nennt so was Schmiergeld, glaube ich. Habe ich den Sachverhalt richtig wiedergegeben?«
O’Shaugnessy war wie vor den Kopf geschlagen, dann beschlich ihn Angst. Es ging wieder los. Wäre besser gewesen, wenn sie ihn seinerzeit unehrenhaft entlassen hätten. Er sagte nichts. Was hätte er auch sagen sollen?
»Das Band wurde der Internen Revision übergeben, woraufhin die Ihnen einen Besuch abgestattet haben. Aber die Aussagen über den Hergang waren widersprüchlich. Eindeutig konnte man Ihnen nichts nachweisen. Aber Sie wissen ja, es bleibt immer irgendwas hängen. Und seit der Zeit dümpeltIhre Karriere, um’s mal so auszudrücken, träge vor sich hin.«
O’Shaugnessy starrte auf die vorbeihuschenden Hochhäuser.
»Dümpelt vor sich hin.« Was heißen sollte: Sie sind abgemeldet, Sergeant.
»Man hat Sie seit damals nur mit dubiosen Abkommandierungen und Aufträgen in irgendwelchen Grauzonen beschäftigt. Wozu Sie vermutlich auch diesen Auftrag rechnen.«
O’Shaugnessy sah ihn nicht an. »Pendergast, ich weiß nicht, was Sie vorhaben. Aber ich muss mir das nicht länger anhören. Wirklich nicht.«
»Ich kenne das Tonband.«
»Wie schön für Sie.«
»Ich habe unter anderem gehört, wie die Prostituierte Sie angefleht hat, sie laufen zu lassen, weil ihr Zuhälter sie sonst fürchterlich verprügeln würde. Und wie sie gebettelt hat, Sie sollten das Geld annehmen, weil ihr Lude sonst glauben würde, sie hätte ihn betrogen. Wenn Sie es aber annehmen, könnte sie sagen, sie habe es als Bestechungsgeld gebraucht. Und wenn Sie sie dann laufen ließen, hörte sich das Ganze glaubwürdig an. Und da haben Sie sie laufen lassen.«
O’Shaugnessy hatte sich das alles wer weiß wie oft durch den Kopf gehen lassen. So war’s gewesen, aber was änderte sich dadurch? Er hätte das Geld nicht nehmen dürfen. Oder wenigstens für einen guten Zweck spenden müssen. Luden verprügelten ihre Pferdchen tagtäglich. Welcher Teufel hatte ihn geritten, den barmherzigen Samariter spielen zu wollen? Ein langes Schweigen, dann fragte O’Shaugnessy: »Sind Sie fertig mit Ihrer Analyse?«
»Fürs Erste, ja. Nur noch eins: Sie haben Recht, es ist eine dubiose Abkommandierung. Aber die Hintergründe sind anders, als Sie glauben.«
Wieder ein langes Schweigen. Als sie an einer roten Ampel hielten, nutzte O’Shaugnessy die Gelegenheit, Pendergast verstohlen zu mustern. Pendergast schien das zu spüren, seinBlick traf den des Sergeants und ließ den Iren nicht wieder los. O’Shaugnessy sah schnell weg.
»Haben Sie zufällig letztes Jahr die Ausstellung über historische Bekleidung gesehen?«, fragte Pendergast im Plauderton.
»Was?«
»Offenbar nicht. Nun, da haben Sie was verpasst. Das Met hat eine beachtliche Sammlung von Originalkleidung aus früheren Jahrhunderten bis zurück ins Mittelalter. Gewöhnlich verstauben die Stücke im Lager. Aber letztes Jahr gab’s eine Ausstellung, auf der gezeigt wurde, wie sich die Kleidung in den letzten sechs Jahrhunderten verändert hat. Faszinierend, sage ich Ihnen. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Taillenweite
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