Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens
auf den Rücken gedrehtem Arm in den Polizeigriff und hielt ihm mit der anderen Hand die Pistole an die Schläfe. Der Mann machte ein, zwei Sekunden lang den törichten Versuch, sich aus der Umklammerung zu befreien, dann gab er auf.
Pendergast lockerte den Griff und stand auf. »Es ist nie ratsam, eine Waffe überhastet abzufeuern«, belehrte er den Mann. »Sie hätten sich selbst verletzen können.«
»Wer, zum Teufel, sind Sie?«, schrie der Mann, immer noch auf dem Boden kauernd, mit überschnappender Stimme.
»Die gleiche Frage wollte ich Ihnen stellen.«
Der Mann schien sich allmählich von seinem Schock zu erholen, er schaffte es immerhin, aus der kauernden in eine sitzende Haltung zu wechseln. »Nehmen Sie den gottverdammten Lichtstrahl aus meinem Gesicht!«
Pendergast richtete die Stablampe etwas tiefer.
»Und nun verraten Sie mir gefälligst, was Ihnen einfällt, anständige Leute zu Tode zu erschrecken? Wer sind Sie überhaupt?«
Pendergast ahnte, dass es besser war, sich mit Geduld zu wappnen. »Wir sollten uns beide um gepflegte Umgangsformen bemühen. Ich ersuche Sie, den Anfang zu machen und sich auszuweisen.«
»Mister, es ist mir scheißegal, worum Sie mich ersuchen.« Der Mann rappelte sich hoch, zupfte ein paar verwelkte Blätter aus seinem Bart, spuckte einen ausgekauten Priem ins Dunkel und wischte sich mit dem Handrücken die Mundwinkel sauber.
Pendergast zückte das Mäppchen mit der Dienstmarke und hielt es dem Mann vors Gesicht.
Der Bärtige machte große Augen, dann lachte er verlegen.
»FBI – darauf wär ich im Leben nicht gekommen.«
»Special Agent Pendergast«, ließ der Agent ihn wissen, klappte das Mäppchen zu und steckte es weg.
»Mit Leuten vom FBI rede ich nicht.«
»Bevor Sie weitere unbesonnene Äußerungen tun, die Ihnen später Unannehmlichkeiten eintragen könnten, will ich Ihnen Ihre Möglichkeiten aufzählen. Sie können entweder ein unverbindliches Gespräch mit mir führen, zwanglos und ohne nachträgliches Protokoll, oder…« Pendergast ließ die Fortsetzung des Satzes in der Luft hängen.
»Oder?«
Pendergast entblößte seine makellosen, schneeweißen Zähne zu einem durchaus freundlich gemeinten Lächeln, wobei er freilich nicht bedachte, dass sich das im grellen Licht seiner Stablampe eher wie ein wütend geblecktes Gebiss ausnahm.Der Bärtige fischte eine Stange Kautabak aus der Hosentasche, biss ein Stück ab, schob es sich in die Backentasche und murmelte etwas in sich hinein, was zweifellos Ähnlichkeit mit einem Fluch hatte.
»Darf ich nun um Ihren Namen bitten?«, erinnerte Pendergast den Bärtigen.
Die Sekunden reihten sich schier endlos aneinander, dann endlich nuschelte der Bärtige mürrisch; »Ach, was soll’s! Es ist ja nicht verboten, einen Namen zu haben, schließlich haben Sie ja auch einen. Gasparilla. Lonny Gasparilla. So, kann ich nun meine Knarre wieder haben?«
»Warten Sie.« Der Agent richtete den Lichtstrahl auf das Bündel blutiger Eichhörnchen, das der Bärtige am Gürtel trug. »Sind Sie deswegen hier draußen? Um zu jagen?«
»Dachten Sie, ich will mir die Grabhügel ansehen?«
»Haben Sie in der näheren Umgebung einen festen Wohnsitz, Mr. Gasparilla?«
Der Mann stieß ein bellendes Lachen aus. »Das ist mal ein guter Witz!« Wieder nahm er sich alle Zeit der Welt, ehe er auf die Frage einging. Er deutete mit dem Kopf hinter sich. »Ich hab dort hinten mein Zelt aufgeschlagen.«
Pendergast bückte sich nach der Flinte, klappte den Lauf auf, nahm die leere Patronenhülse heraus und gab Gasparilla die ungeladene Waffe zurück. »Sind Sie so freundlich, mir das Zelt zu zeigen?«
Nach einem Fußmarsch von fünf Minuten waren sie am Ziel angekommen und tauchten, nicht weit von einer Baumreihe entfernt, in das Dickicht eines Maisfeldes ein, von wo aus sie nur dem Trampelpfad folgen mussten, den der Bärtige in den trockenen Boden getreten hatte. Feuchter Modergeruch hing in der Luft, irgendwo in der Nähe murmelte Wasser. In einem Lehmbett flackerte die Glut eines Lagerfeuers, darüber hing ein großer eiserner Kessel, in dem etwas brodelte, dem Geruch nach ein Eintopf aus Kartoffeln, Zwiebeln und Paprikaschoten.
Gasparilla legte ein paar Holzscheite nach, die Flammen schlugen höher und leuchteten den Lagerplatz aus. Viel gab es nicht zu sehen, nur ein schmuddeliges Zelt, einen Holzklotz, der anscheinend als Sitzgelegenheit diente, und eine alte, irgendwo ausrangierte Holztür, die als Tisch herhalten
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