Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
um meinen Bruder kümmern.«
»Und wenn Sie ihn aufspüren? Was dann?«
»Ich muss ihn finden!«, sagte Pendergast. »Und wenn es so weit ist …« Er hielt einen Moment inne. »Wenn es so weit ist, werde ich den Erfordernissen der Situation mit der notwendigen Entschlossenheit begegnen.«
Pendergasts Gesichtsausdruck war so schrecklich, dass D’Agosta sich von ihm abwandte.
Einen Moment lang lag absolute Stille über der Bibliothek. Schließlich setzte sich Pendergast, der im Laufe des Gesprächs immer tiefer in das Sofa gesunken war, wieder aufrecht hin. Ein Blick auf ihn sagte D’Agosta, dass das Thema damit abgehakt war. Pendergasts Stimme wechselte in den nüchternen Tonfall, den er gewöhnlich bei Lagebesprechungen anschlug. »Wir werden alle Hände voll zu tun haben, uns um Bullard zu kümmern. Das Verbrechen, das wir in Italien aufklären wollen, hatte seine Anfänge in den Vereinigten Staaten. Daher müssen wir sämtliche Dienststellen, die mit dem Fall Bullard zu tun haben, auf dem Laufenden halten. Ich habe mit Captain Hayward vereinbart, dass sie telefonisch oder per E-Mail engen Kontakt zu Ihnen hält.«
D’Agosta nickte.
»Ich hoffe, dieses Arrangement kommt Ihnen nicht allzu ungelegen«, fügte Pendergast hinzu.
»Absolut nicht.« D’Agosta hoffte, dass er nicht rot wurde. Gab es eigentlich irgendetwas, das der Kerl nicht wusste?
»Sehr schön.« Pendergast stand auf. »So, nun muss ich packen und ein paar Dinge mit Constance besprechen. Sie wird hier bleiben und sich um die Sammlung kümmern. Außerdem wird sie für uns recherchieren, falls wir ihre Dienste benötigen. Proctor wird sich um Sie kümmern. Fühlen Sie sich wie zu Hause, und wenn Sie etwas brauchen, klingeln Sie einfach.«
Er stand auf und reichte D’Agosta die Hand. » Buona notte. Und angenehme Träume.«
Das für D’Agosta vorgesehene Zimmer lag im dritten Stock, mit Blick nach hinten, und ließ alle insgeheim gehegten Befürchtungen wahr werden: Es war ein nur schwach erleuchteter Raum mit einer hohen Decke, dunklen Samttapeten an den Wänden und schweren Mahagoni-Möbeln. Es roch nach Holz und alten Stoffen. An den Wänden hing ein Bild neben dem nächsten: Landschaftsmalereien, Stillleben und einige Studien in Öl, die sich als sehr merkwürdig entpuppten, wenn man sie näher betrachtete. Die schweren Fensterläden waren fest verschlossen und sorgten mit den dicken Mauern dafür, dass nicht der geringste Laut von der Straße ins Zimmer drang. Und doch war dieser Raum, wie überhaupt das ganze Haus, blitzsauber. Die Installationen im Badezimmerbereich entsprachen dem neuesten Stand, und das riesige Bett sah so verlockend aus, dass D’Agosta kaum der Versuchung widerstehen konnte, sich sofort darauf auszustrecken. Nur die angenehmen Träume, die Pendergast ihm gewünscht hatte, wollten sich partout nicht einstellen. Und so lag er lange wach und dachte über Diogenes Pendergast nach.
49
Locke Bullard saß auf dem Rücksitz des Mercedes, während dieser die Viale Michelangelo oberhalb von Florenz entlangrauschte. Die großartigen Villen aus dem achtzehnten Jahrhundert, die von den Reichen der Stadt bewohnt wurden, lagen seinen Blicken entzogen hinter hohen Mauern und massiven Eisentoren. Als der Wagen den Piazzale passierte, registrierte Bullard kaum den atemberaubenden Ausblick, der sich ihm auf die Kulisse der Stadt bot, auf den Dom, den Palazzo Vecchio und den Arno. Der Wagen fuhr zur Porta Romana hinunter, einem der antiken Stadttore. Bullard wies den Fahrer an: »Nehmen Sie die Abkürzung durch die Altstadt.«
Der Fahrer hielt dem Verkehrspolizisten am Tor seinen Berechtigungsschein hin und lenkte die Limousine geschickt durch das Labyrinth der eng verwinkelten Straßen und Gassen. Es war nicht leicht, hier durchzukommen, die ganze Altstadt spiegelte das ungezügelte Ringen zwischen Vergangenheit und Moderne wider. Wo eben noch dem Verfall preisgegebene Handwerksbetriebe das Bild prägten, ragten ein Stück weiter die Betonfassaden mehrstöckiger Mietswohnungen auf, und an der nächsten Ecke behauptete sich trotzig die Idylle schmalbrüstiger alter Häuser, hinter denen gerade noch genug Platz für einen kleinen Garten war, in dem die Familie ihren eigenen Wein anbauen konnte. Eine halbe Stunde später passierten sie Signa mit seinen eintönigen Industrieanlagen und den dazu gehörenden hässlichen Wohnblöcken, und schließlich erreichten sie eine dünn besiedelte ländliche Gegend, in der sie zu guter
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