Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
Verbrechen hier stattfinden würde. Diese Stadt bietet die größte Anonymität, die besten Möglichkeiten, sich zu verstecken, ein Alter ego anzunehmen, einen Angriffsplan zu entwickeln. Und deshalb blieb ich – im Bewusstsein, dass mein Bruder jeden meiner Schritte überwacht hatte – tot, um mich frei und unerkannt bewegen zu können. Ich wollte Sie alle im Dunkeln lassen. Sogar Constance.« Plötzlich huschte ein gequälter Ausdruck über Pendergasts Gesicht. »Ich bedaure das mehr, als ich sagen kann. Trotzdem schien es mir die klügste Vorgehensweise zu sein.«
»Und deshalb haben Sie eine Stelle als Doorman angenommen.«
»Die Anstellung hat mir erlaubt, auf Sie und – durch Sie – auf andere Menschen, die mir wichtig sind, ein Auge zu haben. Zudem bietet sie mir die Gelegenheit, Diogenes aus dem Dunkel heraus zu jagen. Und ich hätte mich auch noch nicht zu erkennen gegeben, wenn mich nicht gewisse Ereignisse zum voreiligen Handeln gezwungen hätten.«
»Was für Ereignisse?«
»Charles Duchamp und seine Hinrichtung durch den Strang.«
»Sprechen Sie von dem bizarren Mord drüben am Lincoln Center?«
»Genau. Davon und von noch einem Mord, der vor drei Tagen geschehen ist. Torrance Hamilton, Professor emeritus. Er wurde in einem überfüllten Hörsaal vergiftet.«
»Wie hängen die beiden Mordfälle zusammen?«
»Hamilton war an der Highschool einer meiner Lehrer, der Mann, der mir Französisch, Italienisch und Mandarin beigebracht hat. Wir standen uns sehr nahe. Duchamp ist mein bester – ja mein einziger – Jugendfreund gewesen. Er ist die einzige Person aus meiner Vergangenheit, mit der ich in Verbindung geblieben bin. Beide hat Diogenes ermordet.«
»Das kann nicht vielleicht ein Zufall sein?«
»Ausgeschlossen. Hamilton wurde mit einem seltenen Nervengift umgebracht, das man in sein Wasserglas gab. Es ist ein synthetisches Toxin, sehr ähnlich dem, das eine bestimmte, auf Goa beheimatete Spinne produziert. Ein Vorfahre meines Vaters ist an einem Biss ebendieser Spinne gestorben, als er während der britischen Kolonialzeit als niederer Botschaftsangestellter in Indien diente.« Pendergast nahm noch einen Schluck. »Duchamp wurde ein Strick um den Hals gelegt, der anschließend riss, so dass er zwanzig Stockwerke in den Tod stürzte. Mein Urgroßonkel Maurice starb auf genau die gleiche Weise. Er wurde in New Orleans im Jahre 1871 gehängt, weil er seine Frau und ihren Geliebten ermordet hatte. Weil der Galgen in den vorhergehenden Aufständen stark beschädigt worden war, hat man Maurice stattdessen aus einem der oberen Fenster des Gerichtsgebäudes in der Decatur Street gehängt. Aber weil er sich so heftig wehrte, ist der morsche Strick gerissen, so dass mein Onkel auf die Straße stürzte und so zu Tode kam.«
D’Agosta starrte seinen Freund entsetzt an.
»Diese Todesfälle sowie deren Inszenierung – sie sind Diogenes’ Art, meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Vielleicht können Sie nun verstehen, Vincent, warum mich Diogenes lebend braucht.«
»Sie meinen doch wohl nicht, dass er…«
»Ganz genau. Ich hatte immer angenommen, dass es sich um ein Verbrechen gegen die Menschheit handeln wird. Aber inzwischen ist mir klar, dass ich die Zielscheibe bin. Das so genannte perfekte Verbrechen meines Bruders besteht darin, jeden mir nahe stehenden Menschen zu ermorden. Das ist der wahre Grund, warum er mich aus Foscos Schloss befreit hat. Er will mich nicht tot, sondern lebendig – damit er mich auf eine weitaus erlesenere Art vernichten kann, so dass mich Kummer und Selbstvorwürfe plagen, ich mich mit dem Wissen quäle, dass ich diese wenigen Menschen auf Erden nicht zu retten vermochte…« Pendergast hielt inne und holte tief Luft. »Jene wenigen Menschen auf Erden, die mir wirklich am Herzen liegen.«
D’Agosta schluckte. »Es ist mir unbegreiflich, dass dieser Unmensch mit Ihnen verwandt ist.«
»Jetzt, da ich den wahren Charakter seines Verbrechens kenne, sehe ich mich gezwungen, meinen ursprünglichen Plan aufzugeben und einen neuen zu entwickeln. Es ist kein idealer Plan, aber unter den Umständen gibt es keinen besseren.«
»Erzählen Sie mir davon.«
»Wir müssen verhindern, dass Diogenes einen weiteren Mord begeht. Das bedeutet, wir müssen ihn ausfindig machen. Und genau darum benötige ich Ihre Hilfe, Vincent. Sie müssen Ihre Möglichkeiten als Polizeibeamter nutzen, um so viel wie möglich über die Beweismittel, die am Tatort gefunden wurden, in Erfahrung zu
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