Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
Do-it-yourself-Zeitschriften für Autobastler. An einer anderen Wand stand ein ramponierter Rolltopschreibtisch, dessen Schreibfläche bis auf ein schickes Apple-Notebook leer war – es war das Einzige, das in dem tristen Raum fehl am Platze wirkte. An den Wänden von undefinierbarer Farbe hingen ein paar verblasste Bilder von Hummel, die großäugige Kinder darstellten. Ein Bücherregal war mit Taschenbüchern vollgestopft, hauptsächlich Unterhaltungsromane und kitschige Bestseller. D’Agosta amüsierte es, unter den zerfledderten Schmökern sein Lieblingsbuch zu finden, Ice Ship: Tödliche Fracht. Aus dem Wohnzimmer führte eine offene Tür in die kleine, aber saubere Küche. Die Wohnung war das absolute Gegenteil zu Pendergasts Wohnung im Dakota oder seinem Anwesen am Riverside Drive.
Plötzlich ein leises Rascheln. D’Agosta sprang auf und sah Pendergast – und zwar den echten! – im Türrahmen stehen: groß, schlank, mit funkelnden, silberfarbenen Augen. Das Haar war zwar immer noch braun und sein Teint dunkel, aber das Gesicht zeigte wieder die feinen, adlerähnlichen Züge, die D’Agosta so gut kannte.
Wieder lächelte Pendergast, als läse er D’Agostas Gedanken. »Wangenpolster. Erstaunlich, wie wirkungsvoll man damit sein Äußeres verändern kann. Ich habe sie jedoch vorübergehend herausgenommen, weil ich sie auf Dauer als unbequem empfinde. Wie auch die braunen Kontaktlinsen.«
»Ich bin platt. Ich habe zwar gewusst, dass Sie ein Meister der Verstellung sind, aber das hier schlägt alles …, ich meine, sogar das Zimmer hier …« D’Agosta deutete aufs Bücherregal.
Pendergast sah ein wenig gequält drein. »Selbst hier darf ich mich leider nicht geben, wie ich möchte. Ich muss das Image des Doormans wahren.«
»Und zwar eines unwirschen.«
»Ich habe festgestellt, dass man nicht so eingehend gemustert wird, wenn man unangenehme Charaktereigenschaften zur Schau stellt. Sobald die Leute einen als mürrischen, ressentimentgeladenen Doorman eingestuft haben, schauen sie nicht mehr so genau hin. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Haben Sie ein Budweiser?«
Pendergast schüttelte sich. »Meine Verstellung hat ihre Grenzen. Vielleicht einen Pernod oder einen Campari?«
»Nein, danke.« D’Agosta grinste.
»Sie haben meinen Brief erhalten, nehme ich an?«
»Ja. Und seitdem ermittle ich in dem Fall.«
»Haben Sie Fortschritte erzielt?«
»Eigentlich keine. Ich habe Ihrer Großtante einen Besuch abgestattet. Aber das erzähle ich Ihnen später. Zunächst einmal, mein Freund, sind Sie mir eine Erklärung schuldig.«
»Selbstverständlich.« Pendergast bat ihn mit einer Handbewegung, sich doch zu setzen, und nahm auf dem gegenüberstehenden Sessel Platz. »Wenn ich mich recht entsinne, haben sich unsere Wege auf einem Hügel in der Toskana jäh getrennt.«
»So könnte man das ausdrücken. Ich werde nie vergessen, wie ich Sie das letzte Mal gesehen habe: Sie waren umringt von einer Meute Jagdhunde, die alle ganz wild darauf waren, ein Stück aus Ihnen herauszureißen.«
Pendergast nickte langsam, sein Blick schien in weite Ferne zu schweifen. »Ich wurde gefangen genommen, gefesselt, betäubt und zurück zum Schloss getragen. Unser korpulenter Freund hat mich ins Tunnellabyrinth unter dem Schloss verfrachten lassen. Dort hat er mich in einer Grabkammer angekettet, deren Bewohner unsanft hinausbefördert wurde. Und dann hat er angefangen, mich einzumauern – natürlich auf die feinste Art.«
»Großer Gott.« D’Agosta lief ein Schauder über den Rücken. »Ich habe gleich am nächsten Morgen die italienische Polizei geholt, damit sie nach Ihnen sucht, aber es hat nichts genützt. Fosco hatte sämtliche Spuren unseres Aufenthalts beseitigt. Die Italiener haben mich für einen Irren gehalten.«
»Ich habe später von dem sonderbaren Tod des Grafen erfahren. Waren Sie das?«
»Gewiss.«
Pendergast nickte wohlwollend. »Was ist mit der Geige geschehen?«
»Ich konnte sie ja nicht im Schloss liegen lassen, deshalb habe ich sie mir geschnappt und…« Er hielt inne, weil er sich nicht sicher war, was Pendergast über das, was er getan hatte, wohl dachte. Pendergast hob fragend die Augenbrauen. »Ich habe sie zu Viola Maskelene gebracht. Ich habe ihr gesagt, Sie seien tot.«
»Verstehe. Wie hat sie darauf reagiert?«
»Sie war sehr schockiert, sehr aufgebracht, auch wenn sie versucht hat, ihre Gefühle zu verbergen. Ich glaube …« D’Agosta zögerte. »Ich glaube, sie
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