Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
Geräuschen, die von der Straße heraufdrangen. Schließlich stand er auf, trug das Geschirr in die kleine Küche, warf das halb aufgegessene Essen in den Mülleimer und wusch ab. Dann drehte er sich um und ging ins Schlafzimmer, um seine Sachen zu packen – wobei er sich unsäglich alt fühlte.
20
Um drei Uhr morgens wirkte die mit Brettern verrammelte neoromanische Villa am Riverside Drive 891 leer, ja vielleicht sogar verlassen. Doch tief unter den geschlossenen Fensterläden und den doppelt verriegelten Türen gab es Aktivitäten in einem der Tunnel im Untergeschoss, die in das Grundgestein unter dem alten Haus führten. Der längste Tunnel – streng genommen eine Reihe zusammenhängender Kellerräume – führte parallel zum Haus nach Westen und bohrte sich unterhalb des Riverside Drive und des Riverside Parks in Richtung Hudson. Am Ende führte eine rohe Treppe spiralförmig hinab in eine natürliche Höhle und zu einem steinernen Kai, von dem aus man über einen unterirdischen Wasserlauf und durch eine kleine, mit Unkraut bedeckte Öffnung direkt an den Fluss gelangte. Vor mehr als zwei Jahrhunderten hatte der Flusspirat, dem die Vorgängervilla gehört hatte, diesen Geheimgang für seine nächtlichen Beutezüge genutzt. Heute kannte nur eine Hand voll Personen diesen verborgenen Eingang.
An diesem entlegenen Ort nun war das leise Eintauchen von Ruderblättern ins Wasser zu hören. Ein leises Platschen, der grüne Vorhang aus Unkraut wurde zur Seite geschoben, und der unterirdische Kanal wurde sichtbar. Es war eine neblige, mondlose Nacht, nur ein ganz schwacher Lichtschein zeigte die Umrisse eines einsitzigen Ruderboots, das in den Tunnel einfuhr. Lautlos glitt es unter der niedrigen, felsigen Decke vorwärts, bis es schließlich an dem steinernen Kai anlegte.
Pendergast trat aus dem Skiff, machte es an einer Klampe fest und sah sich um. Einige Minuten lang blieb er im Dunkeln stehen und lauschte. Dann zog er aus der Jackentasche eine Taschenlampe, schaltete sie ein und stieg die Treppe hinauf. Oben angekommen, betrat er einen großen Raum voller Holzkisten mit Waffen und Rüstungen; einige waren modern, andere datierten zweitausend Jahre zurück. Er durchmaß den Raum und gelangte schließlich in ein altes Labor, in dem Zentrifugenbecher und Retorten auf langen Tischen mit schwarzer Oberfläche lagerten. In einer Ecke des Labors stand eine stumme, schattenhafte Gestalt.
Pendergast ging vorsichtig auf die Gestalt zu, während er verstohlen nach seiner Waffe griff. »Proctor?«
»Sir?«
Pendergast entspannte sich. »Ich habe Constances Nachricht erhalten.«
»Und ich habe Ihre Nachricht erhalten, dass ich Sie hier treffen soll. Aber ich muss schon sagen, es wundert mich, dass Sie gekommen sind, Sir.«
»Ich hatte gehofft, es würde nicht erforderlich sein. Aber zufälligerweise habe ich eine Nachricht, die ich wiederum Constance zukommen lassen muss, und zwar eine, die ich, wie ich fand, persönlich übermitteln muss.«
Proctor nickte. »Ich verstehe, Sir.«
»Von nun an ist es absolut notwendig, dass Sie Constance genau im Auge behalten. Sie wissen ja, wie labil ihre Psyche ist. Wie sie nach außen wirkt, sagt nichts über ihren tatsächlichen Gemütszustand aus. Außerdem ist Ihnen ja bekannt, dass sie etwas durchgemacht hat, was kein anderer jemals erlebt hat. Ich fürchte, wenn sie nicht mit äußerster Fürsorglichkeit und Umsicht…« Pendergast stockte. Nach einer Weile nickte Proctor erneut.
»Dies alles hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt geschehen können. Ich werde Constance sagen, dass sie jederzeit bereit sein muss, an jenen Ort zurückzukehren, an dem sie sich vor uns versteckt hatte. Dorthin, wo niemand, niemand, sie jemals finden kann.«
»Jawohl, Sir.«
»Haben Sie die Einbruchstelle gefunden?«
»Sie wurde gefunden und verschlossen.«
»Wo befand sie sich?«
»Wie’s aussieht, verläuft unter dem Broadway ein Abwasserkanal aus dem 19. Jahrhundert, direkt hinter dem Obstkeller. Die Kloake wird seit fünfzig Jahren nicht mehr genutzt. Er konnte aus dem Tunnel bis in den Obstkeller vordringen, indem er ein Loch in das Rohr schlug.«
Pendergast musterte Proctor durchdringend. »Er hat die Treppe, die zu diesem Untergeschoss führt, nicht gefunden?«
»Nein. Offenbar war er nur sehr kurze Zeit im Haus. Nur lange genug, um das Bajonett aus einem der Schränke im ersten Stock zu entwenden und wieder zu verschwinden.«
Pendergast fixierte ihn weiter. »Sie müssen
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