Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
anstellen – das Datum kann alles Mögliche bedeuten. Diogenes ist vor allem eines – unberechenbar.
Sie müssen sich von der Polizei von Southampton oder wo immer Sie derzeit angestellt sind, eine Zeit lang beurlauben lassen. Das lässt sich nicht vermeiden. Besorgen Sie sich alle hierzu nötigen Informationen von Detective Captain Laura Hayward, aber halten Sie sie weitestgehend aus der Sache heraus – um ihretwillen. Diogenes kennt sich in kriminaltechnischen und polizeilichen Verfahren hervorragend aus, und sollten Sie, was Gott verhüten möge, das Verbrechen nicht mehr rechtzeitig verhindern können, wird er diese Kenntnisse ohne Zweifel geschickt nutzen, um die Polizei in die Irre zu führen. So gut Hayward als Kommissarin ist, sie ist meinem Bruder nicht gewachsen.
Ich habe Constance ein separates Schreiben hinterlassen, die zu diesem Zeitpunkt in sämtliche Einzelheiten dieser Angelegenheit eingeweiht sein wird. Sie wird Ihnen mein Haus, meine Finanzen und alle meine Ressourcen zur Verfügung stellen. Außerdem wird Sie Ihnen umgehend ein auf Ihren Namen lautendes Bankkonto mit einem Guthaben von 500.000 Dollar einrichten, über das Sie nach Gutdünken verfügen können. Ich empfehle, dass Sie sich der unschätzbaren Recherchefähigkeiten Constances bedienen, möchte Sie allerdings aus offensichtlichen Gründen darum bitten, sie aus Ihren direkten Ermittlungen herauszuhalten. Sie darf das Haus nicht verlassen – niemals. Und Sie müssen sehr, sehr gut auf sie Acht geben. Sie ist noch immer labil, psychisch wie körperlich.
Als ersten Schritt sollten Sie meiner Großtante Cornelia einen Besuch abstatten, die ihr Leben in einem Krankenhaus auf Little Governors Island fristet. Sie kannte Diogenes als Jungen und kann Ihnen jene persönlichen und familiären Informationen liefern, die Sie zweifellos benötigen werden. Behandeln Sie diese Informationen – und Cornelia – mit großer Umsicht.
Ein letztes Wort. Diogenes ist höchst gefährlich. Er ist mir intellektuell ebenbürtig, doch kennt er auch nicht die leisesten moralischen Skrupel. Überdies hat er nach einer schweren Erkrankung eine körperliche Behinderung zurückbehalten. Ihn treibt ein unbändiger Hass auf mich und eine absolute Verachtung für die Menschheit an. Machen Sie ihn erst auf sich aufmerksam, wenn Sie es unbedingt müssen. Seien Sie stets auf der Hut.
Leben Sie wohl, mein Freund – und viel Glück.
Aloysius Pendergast.
D’Agosta sah hoch. »Am 28. Januar? Mein Gott, das ist ja in einer Woche.«
Constance neigte nur leicht den Kopf.
4
Es muss an dem Geruch hier liegen, dachte sie, der bringt mir erst wirklich zu Bewusstsein, dass ich wieder im Museum bin: dieses Gemisch aus Mottenkugeln, Staub, altem Lack und einem Anflug von Verfall. Sie ging über den breiten Flur im fünften Stock, vorbei an den eichenen Bürotüren, auf denen in Goldlettern mit schwarzem Rand die Namen der einzelnen Kuratoren prangten. Sie wunderte sich, dass ihr nur weniges unbekannt war. In sechs Jahren hatte sich viel verändert, aber hier im Museum schienen die Uhren langsamer zu gehen.
Sie hatte sich Sorgen gemacht – mehr als sie sich eingestehen wollte. Was würde es wohl für ein Gefühl sein, mehrere Jahre nach dem furchterregendsten Erlebnis in ihrem Leben in das Museum zurückzukehren? Diese Besorgnis hatte ihren Entschluss zurückzukehren hinausgezögert. Doch nach den etwas schwierigen ersten Tagen musste sie zugeben, dass das Museum kaum noch etwas von seinem alten Schrecken barg. Ihre Albträume, das fortwährende Gefühl ihrer eigenen Verwundbarkeit, waren mit den Jahren verblasst und schließlich ganz verschwunden. Die Ereignisse von damals, ihre schlimmen Erlebnisse, waren nur noch Schnee von gestern. Aber das Museum war weiterhin ein herrlicher alter Schuppen, ein Spukschloss von wahrhaft gigantischen Ausmaßen, in dem viele wunderbare, exzentrische Leute arbeiteten. Und es war randvoll mit seltsamen, faszinierenden Objekten – die weltweit umfangreichste Sammlung von Trilobiten; »Luzifers Herz«, der kostbarste Diamant, der je gefunden wurde; »Wackelzahn«, das größte und am besten erhaltene Skelett eines Tyrannosaurus Rex.
Allerdings hatte sie sich vom Untergeschoss des Museums fern gehalten. Und sie hatte auch nicht aus Faulheit die Anzahl der Tage begrenzt, an denen sie nach Ende der Öffnungszeit arbeitete.
Sie konnte sich noch gut an die Zeit erinnern, als sie als unbedeutende Studentin zum ersten Mal über diesen
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