Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
Flur mit seinen erlauchten Mitarbeitern hinter den Türen gewandert war. Studenten standen in der Hierarchie des Museums so weit unten, dass man sie noch nicht einmal verachtete – sie wurden ganz einfach überhaupt nicht wahrgenommen. Nicht, dass sie das geärgert hätte: Das war eben der Initiationsritus, den alle durchliefen. Damals war sie ein Niemand gewesen – eine »Sie« oder bestenfalls eine »Miss«.
Wie sich das alles geändert hatte. Jetzt war sie eine »Frau Doktor«, manchmal sogar eine »Frau Professor«, und wenn ihr Name gedruckt wurde, standen dahinter eine ganze Reihe akademischer Titel: Pierpont Research Fellow (bei »Fellow«, »Bursche«, musste sie immer unwillkürlich lächeln); außerordentliche Professorin für Ethnopharmakologie; und ihr neuester, erst drei Wochen alter Titel: Chefredakteurin von Museology. Zwar hatte sie sich immer eingeredet, dass Titel nichts bedeuteten, doch zu ihrem eigenen Erstaunen musste sie feststellen, dass sie – hatte man sie erst einmal erworben – höchst befriedigend waren. Professorin, das hatte einen hübschen, runden Klang, zumal von den Lippen jener verknöcherten alten Kuratoren, die ihr vor sechs Jahren nicht einmal gesagt hätten, wie spät es war. Inzwischen gaben sie sich besondere Mühe, sie um ihre Meinung zu bitten, oder drängten ihr ihre wissenschaftlichen Publikationen auf. Erst am Morgen hatte kein Geringerer als der Dekan der Ethnologischen Fakultät, ihr nomineller Chef, Hugo Menzies, sie beflissen nach dem Thema der von ihr geleiteten Podiumsdiskussion auf der bevorstehenden Konferenz der Society of American Anthropologists gefragt.
Ja, das war in der Tat eine erfrischende Abwechslung.
Das Büro des Museumsdirektors lag am Ende des Gangs, in einem der heißbegehrten Turmbüros. Sie blieb vor der mächtigen, von der Patina eines Jahrhunderts verdunkelten Eichentür stehen. Sie hob die Hand und ließ sie wieder fallen, denn mit einem Mal fühlte sie sich ein wenig nervös. Sie atmete tief durch. Sie freute sich, wieder im Museum zu sein, und fragte sich einmal mehr, ob die Kontroverse, in die sie sich zu stürzen gedachte, nicht doch ein schwerer Fehler war. Sie rief sich in Erinnerung, dass man ihr die Kontroverse aufgedrängt hatte und dass sie als Chefredakteurin von Museology Position beziehen musste. Wenn sie sich jetzt drückte, würde sie im Nu ihre Glaubwürdigkeit als Verfechterin ethischer Grundsätze und als Vorkämpferin der Meinungsfreiheit verlieren. Schlimmer noch, sie würde sich selbst nicht mehr in die Augen sehen können. Also gab sie sich einen Ruck und klopfte an, einmal, zweimal, dreimal, jedes Mal fester als zuvor.
Einen Augenblick war es still, dann öffnete ihr Mrs Sturd, die etwas nüchterne, aber tüchtige Sekretärin des Museumsdirektors. Sie trat einen Schritt zur Seite und musterte Margo aus durchdringend blauen Augen.
»Dr. Green? Dr. Collopy erwartet Sie schon. Sie können gleich zu ihm reingehen.«
Margo ging auf die innere Tür zu, die womöglich noch dunkler und massiver als die äußere wirkte, legte die Hand auf den eiskalten Messingknopf, drehte ihn und drückte die Tür mit ihren gutgeölten Türangeln auf.
Dort, hinter dem großen viktorianischen Schreibtisch, unter einem riesigen Gemälde der Victoriafälle von De Clefisse, saß Frederick Watson Collopy, Direktor des New York Museum of Natural History. Der gutaussehende Mann erhob sich entgegenkommend und lächelte sie an. Er trug einen dunkelgrauen, altmodisch geschnittenen Anzug. Eine Fliege aus hellroter Seide belebte die gestärkte weiße Hemdbrust.
»Ah, Margo. Wie schön, dass Sie gekommen sind. Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
Wie schön, dass Sie gekommen sind. Der Brief, den sie erhalten hatte, war ihr eher wie eine Vorladung denn als Einladung vorgekommen.
Collopy kam um den Schreibtisch herum und deutete auf einen bequemen Ledersessel, der zu der Sitzgruppe vor dem Kamin aus rosa Marmor gehörte. Margo setzte sich und Collopy ließ sich ihr gegenüber nieder.
»Was möchten Sie? Kaffee, Tee, Mineralwasser?«
»Nichts, danke, Dr. Collopy.«
Er lehnte sich zurück und schlug die Beine lässig übereinander. »Wir freuen uns sehr, Sie wieder im Museum zu haben, Margo«, sagte er in seinem New Yorker Upperclass-Akzent. »Ich war hoch erfreut über Ihre Zustimmung, die Stelle als Chefredakteurin von Museology zu übernehmen. Wir schätzen uns sehr glücklich, dass wir Sie von GeneDyne abwerben konnten. Ihre wissenschaftlichen
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