Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
vorgesehene Häftling seinen Hofgang in Hof 4 absolvieren, dem idealen Ort für einen Fluchtversuch. Wir hatten das
Glück
– wenn ich mir diesen Ausdruck gestatten darf –, einen Gefangenen, der Hof 4 zugeteilt war, zu identifizieren, der so durch und durch böse war, dass manch einer sagen würde, er habe kein anderes Schicksal verdient: ein Mann, der drei Kinder vor den Augen ihrer Mutter zu Tode folterte. Danach war es ganz einfach, sich in die Datenbank des Justizministeriums zu hacken und die Haftakte von Lacarra zu modifizieren, so dass wir ihn als einen Ihrer Lockvögel festlegen und dadurch die Falle für Coffey mit einem Köder versehen konnten. Und schließlich könnte ich darauf hinweisen, dass Sie keine andere Wahl hatten, als den Häftling zu töten: Es war Selbstverteidigung.«
»Keine noch so große Haarspalterei kann etwas an der Tatsache ändern, dass es sich um vorsätzlichen Mord handelte.«
»Streng genommen haben Sie recht. Aber wie Sie selber wissen, war Lacarras Tod notwendig, um weitere Menschenleben zu retten – möglicherweise
viele
weitere Menschenleben. Außerdem haben unsere Nachforschungen gezeigt, dass seine Berufung gegen den Vollzug der Todesstrafe ohnehin keinen Erfolg gehabt hätte.«
Pendergast neigte stumm den Kopf.
»Also, Mr. Pendergast, lassen wir doch derlei triviale Fragen der Ethik beiseite. Wir müssen uns mit dringlicheren Angelegenheiten befassen, die mit Ihrem Bruder in Zusammenhang stehen. Ich nehme an, es sind keine Nachrichten aus der Außenwelt zu Ihnen gedrungen, während Sie in Einzelhaft saßen?«
»Überhaupt keine.«
»Dann dürfte es Sie überraschen, zu erfahren, dass Ihr Brudersämtliche der von ihm aus dem Museum gestohlenen Diamanten vernichtet hat.«
D’Agosta sah, dass Pendergast erstarrte.
»Sie haben ganz richtig gehört. Diogenes hat die Diamanten pulverisiert und dem Museum in einem Sack voll Staub zurückgeschickt.«
Nach einem Moment der Stille sagte Pendergast: »Wieder einmal übersteigen Diogenes’ Taten meine Fähigkeit, etwas vorherzusagen oder zu verstehen.«
»Wenn es Sie tröstet – er hat auch uns verblüfft. Der Raub bedeutet, dass unsere Annahmen über Ihren Bruder unzu treffend waren. Wir glaubten, dass er, nachdem man ihn um Luzifers Herz – den von ihm am heißesten begehrten Diamanten – betrogen hatte, eine Zeitlang untertauchen, seine Wunden lecken und seinen nächsten Schritt planen würde. Das war eindeutig nicht der Fall.«
Krasner meldete sich zu Wort. »Indem er ebenjene Diamanten vernichtet hat, die er während so vieler Jahre der Planung stehlen wollte, Diamanten, die er sowohl begehrte als auch brauchte, hat Diogenes einen Teil von sich selbst zerstört. Es war eine Art Selbstmord. Er hat sich seinen Dämonen hingegeben.«
»Als wir erfuhren, was mit den Diamanten passiert war«, fuhr Glinn fort, »ist uns klargeworden, dass unser vorläufiges psychologische Profil leider höchst unzureichend war. Und so sind wir ans Zeichenbrett zurückgekehrt, haben die bestehenden Daten nochmals analysiert und zusätzliche Informationen gesammelt.
Das hier
ist das Ergebnis.« Mit kurzem Nicken wies er auf das dickleibige Buch. »Ich will Ihnen die Details ersparen. Das Ganze läuft auf eines hinaus.«
»Nämlich?«
»Dass es sich bei jenem perfekten Verbrechen, von dem Diogenes gesprochen hat, nicht um den Diamantenraub handelte.Auch bestand es nicht in dem Frevel, den er gegen Sie begangen hat: den Morden an Ihren Freunden, um anschließend Ihnen diese Kapitalverbrechen anzuhängen. Was immer seine ursprüngliche Absicht war, darüber können wir nur spekulieren. Doch es bleibt die Tatsache bestehen, dass er sein größtes Verbrechen noch nicht begangen hat.«
»Aber das Datum in seinem Brief?«
»Noch eine Lüge, oder zumindest ein Ablenkungsmanöver. Der Diamantenraub war tatsächlich Teil seines Plans, aber die Vernichtung der Diamanten war offenbar eine eher spontane Handlung. Das ändert allerdings nichts daran, dass er seine Serie von Verbrechen sorgfältig geplant hat, um Sie beschäftigt zu halten, Sie in die Irre zu führen, Ihnen einen Schritt voraus zu bleiben. Ich muss schon sagen, dass der Plan Ihres Bruders hinsichtlich Tiefe und Komplexität ziemlich atem beraubend ist.«
»Also steht das Verbrechen noch bevor«, sagte Pendergast leise. »Wissen Sie, worum es sich dabei handeln oder wann es stattfinden könnte?«
»Nein – nur dass alles darauf hindeutet, dass das Verbrechen unmittelbar
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