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Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit

Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit

Titel: Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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zurück, hob den Fuß, zielte auf eine Stelle unmittelbar unter dem Schloss und versetzte der Tür einen heftigen Tritt. Sie flog auf und knallte gegen die dahinterliegende Wand. Schwer atmendstand Pendergast im Türrahmen. Das Zimmer von Diogenes, seinem Bruder, lag vor ihm.
    Und doch war nichts zu sehen. Der schwache Lichtschein aus dem Flur vermochte die unendliche Düsternis nicht zu durchdringen.
    Pendergast warf Hammer und Meißel beiseite. Ein kurzer Gedanke legte ihm eine leuchtstarke Taschenlampe in die Hand. Er schaltete sie ein und richtete den Lichtstrahl in die Schwärze.
    Pendergast wollte einen Schritt nach vorn tun, stellte aber fest, dass er seine Gliedmaßen nicht bewegen konnte. Er verharrte so lange auf der Türschwelle, dass es ihm wie eine Ewigkeit vorkam. Als das Haus zu wackeln begann, die Wände anfingen, sich aufzulösen, als wären sie aus Luft, wurde ihm klar, dass sein Erinnerungspalast abermals zu entschwinden drohte. Wenn er ihn jetzt verlor, das wusste er, dann würde er selbst nie mehr zurückehren. Niemals.
    Nur durch einen letzten Akt allergrößter Willensanstrengung – dem fokussiertesten, erschöpfendsten und schwie rigsten Augenblick seines Lebens – gelang es Pendergast, die Schwelle zu überschreiten.
    Kurz dahinter blieb er stehen, vorzeitig erschöpft, leuchtete mit der Taschenlampe umher und zwang den Lichtstrahl, immer tiefer ins Dunkel zu leuchten. Es war nicht das Zimmer, das er zu finden erwartete hatte. Stattdessen stand er am oberen Ende einer schmalen Treppe aus unbehauenen Natursteinen, die tief ins Erdreich führte.
    Bei diesem Anblick regte sich etwas Dunkles in Pendergasts Erinnerung. Eine Bestie, die seit über dreißig Jahren ungestört geschlummert hatte. Einen Augenblick lang spürte Pendergast, dass er zauderte und sein Wille versagte. Die Wände erzitterten wie eine Kerzenflamme im Wind.
    Er erholte sich. Ihm blieb keine Wahl, als vorwärtszugehen.Nachdem er die Taschenlampe wieder fest gepackt hatte, stieg er die ausgetretenen, schlüpfrigen Steinstufen hinab: tiefer, immer tiefer hinein in einen Abgrund der Scham, der Reue – und des grenzenlosen Grauens.

50
     
    Als Pendergast die Treppe hinabstieg, schlug ihm der Geruch des Untergeschosses entgegen: ein widerwärtiger Gestank nach Feuchtigkeit und Schimmel, Eisenrost und Tod. Die Treppe mündete in einen dunklen Tunnel. Als eines der wenigen Häuser in New Orleans verfügte die Villa über ein Kellergeschoss. Unter großen Mühen und zu hohen Kosten hatten es jene Mönche erschaffen, die das Gebäude ursprünglich errichtet hatten. Die Wände wäre mit Platten aus gehämmertem Blei und mit sorgfältig behauenen Natursteinen ausgekleidet, so dass ein Keller zur Lagerung von alten Weinen und Weinbränden entstanden war.
    Die Familie Pendergast hatte dieses Untergeschoss einem ganz anderen Zweck zugeführt.
    Im Geist begab sich Pendergast hinab in den Tunnel, der in einen breiten, niedrigen Raum mit einem Kreuzgewölbe mündete, dessen unregelmäßiger Boden teils aus Erde, teils aus Stein bestand. Die Wände waren von Salpeter überzogen, den Raum selbst beherrschten düstere Marmorgrabmäler, die reich verziert im viktorianischen und edwardianischen Stil und durch schmale Gänge aus Backstein voneinander getrennt waren.
    Plötzlich wurde sich Pendergast einer Präsenz im Raum bewusst: einem kleinen Schatten. Dann hörte er den Schatten mit der Stimme eines Siebenjährigen sprechen: »Bist du sicher, dass du weitergehen möchtest?«
    Pendergast schrak abermals zusammen, als er merkte, dass sich in dem schwach erleuchteten Raum noch eine Gestalt aufhielt: größer, schlanker, mit weißblonden Haaren. Ihm wurde kalt bis ins Mark – das war er selbst, im Alter von neun Jahren. Er hörte seine eigene weiche, kindliche Stimme sagen: »Hast du etwa Schiss?«
    »Nein. Natürlich nicht«, lautete die kurze, trotzige Antwort – das war die Stimme seines Bruders Diogenes.
    »Dann los.«
    Pendergast sah zu, wie sich die beiden undeutlichen Gestalten mit Kerzen in der Hand durch dieses Totenreich schlängelten; die größere ging voran.
    Die Gestalt mit den blonden Haaren betrachtete die gemeißelten Vorderseiten der Gräber und las die lateinischen Inschriften mit hoher, klarer Stimme vor.
    Pendergast und Diogenes hatten sich als Kinder mit großer Begeisterung dem Lateinischen gewidmet. Diogenes, entsann sich Pendergast, war immer der Bessere von ihnen beiden gewesen; ihr Lehrer hatte ihn für ein Genie

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