Pendergast 07 - Maniac - Fluch der Vergangenheit
Nora.«
»Hi.«
Er richtete sich auf, zupfte einen imaginären Fussel von seinem Anzug und rückte seinen bereits perfekt sitzenden Windsorknoten zurecht. »Was macht ein nettes Mädchen wie Sie an einem so staubigen, alten Ort wie diesem?«
»Haben Sie sich eingetragen?«
»Je suis en règle«,
sagte er schmunzelnd, kam auf sie zu undbeugte sich über ihre Schulter. Nora roch sein teures Aftershave und sein Mundwasser.
»Was haben wir denn da?«
Die Archivarin steckte den Kopf durch die Tür. »Soll ich Sie jetzt wieder einschließen?«
»Nur zu. Schließen Sie uns ein«, antwortete Wicherly und zwinkerte Nora dabei zu.
»Wieso setzen Sie sich nicht, Adrian«, sagte sie kühl.
»Mit dem größten Vergnügen.« Er zog einen alten Holzstuhl an den Tisch, staubte die Sitzfläche mit einem Schlag seines Seidentaschentuchs ab und ließ sich nieder.
»Irgendwelche Leichen im Keller?«, fragte er und beugte sich zu Nora hinüber.
»Allerdings.«
Wicherly saß etwas zu dicht, und Nora rückte so unauffällig wie möglich von ihm ab. Wicherly hatte zwar anfangs wie der Inbegriff guter Erziehung gewirkt, sein notorisches Gezwinkere und seine kontaktbedürftigen Fingerspitzen hatten Nora jedoch inzwischen zu dem Schluss geführt, dass er doch stärker hormongesteuert war, als sie ursprünglich angenommen hatte. Dennoch bewegte sich ihre Beziehung weiterhin ausschließlich auf einer professionellen Ebene, und Nora hoffte, dass das auch so bleiben würde.
»Erzählen Sie«, sagte Wicherly
»Ich habe die Dokumente nur überflogen, deshalb kenne ich noch nicht alle Einzelheiten, aber kurz gesagt ist etwa Folgendes geschehen: Am Morgen des 3. März 1933 erkannten die Wachmänner, die das Grab öffnen wollten, dass jemand eingebrochen war. Viele Gegenstände waren mutwillig zerstört. Die Mumie war verschwunden. Sie wurde später, übel zugerichtet, in einem Nebenraum gefunden. Als die Wach leute in den Sarkophag blickten, entdeckten sie darin eine andere – wesentlich frischere – Leiche, nämlich das Opfer eines gerade verübten Mordes.«
»Erstaunlich! Genau wie bei diesem Typen – wie hieß er gleich noch? –, diesem DeMeo.«
»So ähnlich, allerdings enden damit auch schon die Gemeinsamkeiten. Bei der Leiche handelte es sich um Julia Cavendish, eine vermögende Dame der New Yorker Gesellschaft. Sie war zufällig die Enkelin von William C. Spragg.«
»Spragg?«
»Das war der Mann, der dem letzten Baron von Rattray das Grab abkaufte und es ins Museum bringen ließ.«
»Verstehe.«
»Cavendish war die Schirmherrin des Museums. Sie stand offenbar in dem berühmt-berüchtigten Ruf, einen Lebensstil zu pflegen, den man – in Ermangelung eines besseren Ausdrucks – als den eines weiblichen Wüstlings bezeichnen könnte.«
»Wieso?«
»Sie ging wohl regelmäßig in Bars und gabelte dort junge Männer aus der Arbeiterschicht auf – Hafenarbeiter, Stauer und solche Typen.«
»Um
was
mit ihnen zu tun?«, fragte Adrian anzüglich grinsend.
»Das überlasse ich ganz Ihrer Fantasie«, antwortete Nora trocken. »Wie auch immer, die Unterlagen enthalten zwar keine Details, machen aber deutlich, dass man ihre Leiche verstümmelt hatte.«
»Starker Tobak für die dreißiger Jahre, würde ich sagen.«
»Stimmt. Die Familie und das Museum setzten, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, alles daran, die Sache zu vertuschen, und es sieht ganz danach aus, als wäre ihnen das ziemlich gut gelungen.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass die Presse damals noch etwas kooperativer war. Nicht so sensationslüstern wie heute, da die Jungs von der Presse am liebsten im Schmutz wühlen.«
Nora fragte sich, ob Wicherly eigentlich klar war, dass sie mit einem Journalisten verheiratet war.
»Wie auch immer, die Ermittlungen im Mordfall Cavendish liefen noch, als ein zweiter Mord geschah. Diesmal fand man die verstümmelte Leiche von Montgomery Bolt, Spross einer Seitenlinie von John Jacob Astor und anscheinend das schwarze Schaf der Familie. Seit dem ersten Mord wurde das Grab nachts bewacht, aber der Mörder setzte den Wachmann außer Gefecht, bevor er Bolts Leiche im Sarkophag ablud. Man fand eine Nachricht bei dem Toten. Eine Kopie davon befindet sich hier in den Unterlagen.« Sie zog ein vergilbtes Blatt Papier heraus, auf dem ein Horusauge und mehrere andere Hiero glyphen zu sehen waren. Amüsiert betrachtete Wicherly den Zettel.
»Der Fluch des Ammut trifft alle Eindringlinge«,
intonierte er.
»Wer immer das
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