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Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit

Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit

Titel: Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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hinter ihr. Sie vernahm den leisen Klang seiner Stimme, ein tibetisches Gemurmel. Nach acht Wochen intensiven Unterrichts beherrschte sie die Sprache einigermaßen, wenn auch stockend; sie hatte ein bescheidenes Vokabular erworben und einige Redewendungen erlernt.
    »Sieh den Knoten mit deinem geistigen Auge«, kam die leise, hypnotisierende Stimme ihres Lehrmeisters.
    Der Knoten erschien, ungefähr einen Meter vor ihren geschlossenen Lidern; er war in klares, helles Licht gehüllt. Dass sie auf dem nackten, kalten Fußboden einer salpeterverkrusteten Zelle saß, schwand aus ihrem Bewusstsein.
    »Mach das Bild deutlich. Mach es klar.«
    Der Knoten begann zu flackern und wurde undeutlich, sobald ihre Aufmerksamkeit nachließ, kehrte aber immer wieder vor ihr geistiges Auge zurück, wenn sie sich wieder konzentrierte.
    »Dein Geist ist wie ein See in der Dämmerung«, raunte ihr Lehrmeister. »Still, ruhig und klar.«
    Ein seltsames Gefühl des Hierseins und Doch-nicht-Hierseins umfing Constance. Der Knoten, den sie für ihre Visualisierungsübung gewählt hatte, blieb in ihrem Geist präsent. Es war ein Knoten von mittlerer Komplexität, vor über dreihundert Jahren von einem großen Lehrer geknotet. Er war unter dem Namen »Doppelte Rose« bekannt.
    »Verstärke das Bild des Knotens in deinem Geist.«
    Es war ein schwieriges Gleichgewicht zwischen Bemühen und Loslassen. Wenn sie sich zu sehr auf die Klarheit und Deutlichkeit des Bildes konzentrierte, begann es sich aufzulösen und andere Gedanken drängten sich vor; wenn sie zu stark losließ, verschwand das Bild in den Nebeln ihres Bewusstseins. Aber es gab einen Punkt der vollkommenen Balance, und allmählich – sehr allmählich – fand sie ihn.
    »Nun schau auf das Bild des Knotens, den du in deinem Geist erschaffen hast. Betrachte ihn aus allen Blickwinkeln: von oben, von den Seiten.«
    Die sanft schimmernden Seidenwindungen blieben vor ihrem geistigen Auge. Sie vermittelten ihr eine stille Freude, eine Achtsamkeit, die sie nie zuvor erfahren hatte. Und dann verschwand die Stimme ihres Lehrers ganz und gar, und allein der Knoten blieb. Die Zeit verschwand. Der Raum verschwand. Nur der Knoten blieb.
    »Löse den Knoten.«
    Das war der schwierigste Teil – es erforderte ungeheure Konzentration, den Windungen des Knotens zu folgen und sie in Gedanken zu lösen.
    Die Zeit verging; zehn Sekunden oder auch zehn Stunden, alles war eins.
    Eine Hand berührte sie sanft an der Schulter, sie schlug die Augen auf. Tsering stand vor ihr.
    »Wie lange?«, fragte sie auf Englisch.
    »Fünf Stunden.«
    Sie erhob sich und stellte fest, dass ihre Knie so wackelig waren, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Er packte sie am Arm und stützte sie.
    »Du lernst gut«, sagte er. »Achte darauf, keinen Stolz zu empfinden.«
    Sie nickte. »Danke.«
    Langsam schritten sie den uralten Gang entlang und bogen um eine Ecke. Von weiter vorn hörte Constance die Gebetsmühlen. Wieder bogen sie um eine Ecke. Sie fühlte sich erfrischt, klar, hellwach. »Was treibt die Gebetsmühlen an?«, fragte sie. »Sie hören nie auf, sich zu drehen.«
    »Es gibt eine Quelle unter dem Kloster – der Ursprung des Tsangpo. Das Wasser läuft über ein Rad und treibt die Mühlen an.«
    »Sehr erfinderisch.«
    Sie passierten den Wald aus quietschenden, klappernden bronzenen Hohlzylindern. Hinter den Gebetsmühlen sah Constance unzählige sich bewegende Messingstäbe und Holzräder. Sie ließen die Gebetsmühlen hinter sich und gelangten in einen der äußeren Gänge. Vor ihnen ragte einer der Steinpavillons des Klosters auf – zwischen den Pfeilern sah man die drei großen Bergmassive. Sie betraten den Pavillon. Constance sog tief die reine Hochgebirgsluft ein. Tsering deutete auf eine Sitzgelegenheit, sie setzte sich. Er ließ sich neben ihr nieder. Einige Minuten blickten sie schweigend auf die dunkler werdenden Berge.
    »Die Meditation, die du lernst, ist sehr intensiv. Eines Tages öffnest du die Augen und wirst vielleicht feststellen, dass der Knoten … gelöst ist.«
    Constance schwieg.
    »Es gibt Menschen, die die materielle Welt mit reinen Gedanken beeinflussen, die Dinge aus Gedankenkraft erschaffen können. Es gibt die Geschichte von einem Mönch, der so lange über die Rose meditierte, dass eine Rose auf dem Boden lag, als er die Augen öffnete. Das ist sehr gefährlich. Manche Menschen, mit der richtigen inneren Konzentration und Technik, können Dinge erschaffen … nicht

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