Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
nur Rosen. Das ist nicht erstrebenswert und auch eine schwerwiegende Abweichung von der buddhistischen Lehre.«
Sie nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte, aber sie glaubte ihm kein Wort.
Tserings Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Du bist eine Skeptikerin. Das ist sehr gut. Aber ob du mir glaubst oder nicht, wähle den Gegenstand deiner Meditationsübung immer sorgfältig aus.«
»Das werde ich«, sagte Constance.
»Vergiss nicht: Wir haben viele Dämonen, aber die meisten sind nicht böse. Es sind die Bindungen an das irdische Leben, die du besiegen musst, um Erleuchtung zu erlangen.«
Es folgte ein langes Schweigen.
»Hast du eine Frage?«
Sie schwieg einen Augenblick länger und dachte an Pendergasts Abschiedsworte. »Sag mir: Warum gibt es ein inneres Kloster?«
Tsering antwortete nicht sofort. »Das innere Kloster ist das älteste Kloster Tibets. Es wurde hier in den entlegenen Bergen von einer Gruppe indischer Wandermönche erbaut.«
»Wurde es zum Schutz des Agozyens errichtet?«
Tsering warf ihr einen scharfen Blick zu. »Davon sollte man nicht sprechen.«
»Mein Vormund ist aufgebrochen, um das Agozyen zu finden, auf Bitten des Klosters hin. Vielleicht kann ich ebenfalls von Nutzen sein.«
Der alte Mann wandte den Blick ab, und die Entrücktheit in seinen Augen hatte nichts mit der Landschaft hinter dem Pavillon zu tun. »Das Agozyen wurde aus Indien hergebracht. Weit fort in die Berge, wo es keine Bedrohung war. Man baute ein inneres Kloster, um das Agozyen zu schützen und aufzubewahren. Dann, später, wurde das äußere Kloster um das innere Kloster herum errichtet.«
»Es gibt da etwas, das ich nicht verstehe. Wenn das Agozyen so gefährlich ist, warum wurde es dann nicht einfach vernichtet?«
Der Mönch schwieg sehr lange. Dann sagte er ruhig: »Weil es eines Tages einen wichtigen Zweck erfüllen wird.«
»Und welchen?«
Aber ihr Lehrmeister antwortete nicht.
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5
Der Jeep raste um eine Kurve am Berghang, polterte aufspritzend durch eine Reihe riesiger, schlammiger Schlaglöcher und bog auf eine breite, unbefestigte Straße ein, die in ein sumpfiges Tal unweit der tibetisch-chinesischen Grenze führte. Hier lag die Stadt Qiang. Grauer Nieselregen fiel vom Himmel auf eine braune Dunstglocke, die über der Stadt hing; Rauch stieg aus einer Reihe von Schornsteinen auf der anderen Seite eines trüben Flusses auf. Auf beiden Seitenstreifen türmte sich Müll.
Wild hupend überholte der Fahrer des Jeeps einen überladenen Laster. Der Wagen schleuderte in einer Blindkurve um einen weiteren Laster herum, drehte sich ein, zwei Meter vom Abgrund entfernt um die eigene Achse, und die Abfahrt in die Stadt begann.
»Zum Bahnhof, bitte«, sagte Pendergast auf Mandarin zu dem Fahrer.
»
Wei wei, xian sheng!
«
Mit raschen Manövern wich der Fahrer Fußgängern, Fahrradfahrern und einem Ochsengespann aus und kam schließlich mit kreischenden Bremsen vor einem Kreisverkehr zum Stehen. Hier herrschte dichtes Verkehrsgewühl, danach ging es nur noch schrittweise vorwärts, obwohl der Fahrer pausenlos auf die Hupe drückte. Abgase und eine wahre Symphonie von Signalhörnern erfüllten die Luft. Die Scheibenwischer fuhren hin und her und verteilten den Schlamm, von dem der Jeep bedeckt war, auf der Windschutzscheibe; zu mehr reichte der schwache Regen nicht aus.
Hinter dem Kreisverkehr endete der breite Boulevard vor einem niedrigen Betongebäude. Der Fahrer hielt abrupt an. »Wir sind da«, sagte er.
Pendergast stieg aus und spannte seinen Regenschirm auf. Die Luft roch nach Schwefel und Petroleum. Er betrat den Bahnhof und schlängelte sich zwischen Scharen schiebender, brüllender Menschen hindurch, die riesige Säcke und Körbe auf dem Rücken schleppten. Manche trugen lebende, zusammengeschnürte Hühner oder Enten, einer schob sogar ein jämmerlich kreischendes, festgebundenes Schwein in einem alten Einkaufswagen vor sich her.
Im hinteren Teil des Bahnhofs war es weniger voll, und Pendergast fand das, wonach er gesucht hatte: einen schwach erleuchteten Korridor, der zu den Büros der Beamten führte. Er passierte einen halb schlafenden Wachtposten, lief den langen Flur hinunter und blickte im Vorübergehen auf die Namensschilder an den Türen. Endlich blieb er vor einer besonders schäbigen Tür stehen. Er drückte die Klinke herunter, fand die Tür unverschlossen und trat, ohne zu klopfen, ein.
Ein chinesischer Beamter, klein und rundlich, saß hinter einem mit Papierstapeln
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