Pendergast 08 - Darkness - Wettlauf mit der Zeit
Lächeln in die Runde zog er ins Restaurant ein.
Als seine Gäste eintrafen, begrüßte er sie mit Handschlag, warmen Worten und schwungvollen Gesten. Zuletzt kamen die beiden »Rätselhaften« – ein Herr namens Aloysius Pendergast und sein »Mündel«, eine Bezeichnung, die in Mayles’ Kopf köstlich wollüstige Vorstellungen heraufbeschwor. Pendergasts Passagierakte hatte sein Interesse geweckt, weil sie so extrem wenig Informationen enthielt und der Mann es geschafft hatte, in letzter Minute eins der Duplex-Appartements achtern zu buchen, die Tudor-Suite, Preis fünfzigtausend Pfund, obwohl das ganze Schiff seit Monaten komplett ausgebucht war. Zudem hatte er die Abfahrt um fast eine halbe Stunde verzögert. Wie war ihm das nur gelungen?
Es war faszinierend.
Als der Mann näher kam, nahm Mayles ihn genau in Augenschein. Was er sah, gefiel ihm. Dieser Pendergast war kultiviert, aristokratisch und auffallend gutaussehend; er trug einen edlen Cut mit einem Orchideensträußchen am Revers. Sein Gesicht war schockierend bleich, als erhole er sich von einer tödlichen Krankheit, und doch lag da eine Härte, eine Vitalität in seiner geschmeidigen Gestalt und den grauen Augen, die alles andere als körperliche Schwäche verrieten. Sein Gesicht war so fein gemeißelt wie eine Marmorstatue von Praxiteles. Er bewegte sich durch die Menge wie eine Katze, die geschickt über eine festlich gedeckte Tafel strich.
Eine noch auffallendere Erscheinung war sein sogenanntes Mündel. Sie war eine Schönheit, aber in keinster Weise gewöhnlich oder modern – nein, vielmehr erinnerte sie ihn an eine präraffaelitische Schönheit, sie glich dem Abbild der Proserpina in dem berühmten Gemälde von Rossetti, nur dass sie das glatte Haar in einem Bob trug wie ein unkonventionelles Mädchen aus den zwanziger Jahren. Sie trug ein Abendkleid von Zac Posen, das Mayles bereits in einem der Läden der Einkaufspassage
St. James
auf Deck 6 bewundert hatte – es war das teuerste Stück. Interessant, dass sie sich für diesen Abend für ein an Bord gekauftes Kleid entschieden hatte, statt eins aus ihrer mitgebrachten Garderobe auszuwählen.
Rasch warf er die Tischordnung um und setzte Pendergast zu seiner Linken und Constance ihm gegenüber. Neben Pendergast saß Mrs Dahlberg; Mayles hatte sie auf die Liste gesetzt, weil sie sich nacheinander von zwei englischen Lords hatte scheiden lassen, um dann bei einem amerikanischen Wurstmacher-Mogul zu landen, der bereits wenige Monate nach der Eheschließung verstarb und sie um mehrere Millionen reicher zurückließ. Mayles
’
fiebrige Phantasie war mit ihm durchgegangen, als er das gehört hatte. Aber als er sie jetzt so ansah, musste er enttäuscht feststellen, dass sie keinerlei Ähnlichkeit mit der vulgären Glücksritterin seiner Vorstellung hatte.
Er wies den Übrigen ihren Platz zu. Da war ein flotter junger englischer Baronet und seine französische Frau, ein Kunsthändler, Spezialgebiet Impressionisten, die Leadsängerin einer Gruppe namens »Suburban Lawnmowers« und deren Lebensgefährte, dann der Autor und Lebemann Victor Delacroix und ein paar andere, die, wie Mayles hoffte, eine amüsante Tischrunde abgeben würden. Eigentlich hatte er noch Braddock Wiley dazubitten wollen, einen Filmstar, dessen neuester Film in der Mitte des Atlantiks Premiere haben würde, aber sein Renommee als Schauspieler ließ nach, und Mayles hatte letztendlich entschieden, ihn für den zweiten Abend auf See einzuladen.
Während er die Gäste plazierte, machte er sie geschickt miteinander bekannt, um eine vulgäre Vorstellungsrunde bei Tisch zu vermeiden. Bald saßen alle an ihrem Platz, und der erste Gang wurde serviert: Crêpes Romanoff. Man plauderte über nichts Bestimmtes, während die Kellner die Teller hinstellten und den ersten Wein des Abends einschenkten.
Mayles brach das Eis. »Höre ich da einen New-Orleans-Akzent heraus, Mr Pendergast?« Er war stolz auf seine Fähigkeit, selbst die verschlossensten Menschen in ein Gespräch zu verwickeln.
»Wie klug von Ihnen«, versetzte Pendergast. »Und ich für meinen Teil höre hinter dem englischen Akzent einen Hauch von Far Rockaway, Queens, heraus. Ist das möglich?«
Mayles spürte, wie ihm das Lächeln im Gesicht gefror. Wie um alles in der Welt konnte der Mann das wissen?
»Machen Sie sich keine Gedanken, Mr Mayles – ich habe mich viel mit Akzenten beschäftigt. In meinem Beruf ist das sehr nützlich.«
»Verstehe.« Mayles nahm einen
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