Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
noch größere Stille unter den Leuten herbeiführte. »Wozu sind wir hier?« Er legte eine Pause ein. »Lasst uns ganz klar sein, insbesondere in dieser Frage: Wozu sind wir hier?« Er blickte sich um. »Wir sind hier, um dieses Tor aufzubrechen und diese Tierquäler, diese Mörder, zu vertreiben. Das werden wir tun, und zwar durch unsere unerbittliche moralische Verdammung, das Gewicht unserer großen Zahl. Wir werden sie aus dem Feld schlagen. Wir werden die Tiere aus diesem Dreckloch befreien.«
Über ihnen kreiste der Polizeihubschrauber und verbreitete noch immer seine unverständliche Mitteilung. Er nahm keine Notiz davon.
»Etwas von größter Bedeutung will ich euch sagen: Wir sind keine Mörder. Wir werden unsere moralische Überlegenheit beweisen und durchsetzen. Aber wir sind auch keine Pazifisten, und wenn sie sich entscheiden zu kämpfen, werden wir ebenfalls kämpfen. Wir werden uns verteidigen, und wir werden die Tiere verteidigen.«
Er atmete tief durch. Er wusste, dass er kein eloquenter Redner war, aber er besaß die Kraft seiner Überzeugung und sah, dass die Menge begeistert war.
Die Polizisten kamen jetzt von der Straße herauf, aber verglichen mit seinen Leuten waren es lächerlich wenige. Plock ignorierte sie. Er würde im Ville sein, bevor sie sich überhaupt neu formieren konnten. »Sind wir bereit?«, rief er.
» WIR SIND BEREIT «, ertönte die Antwort.
Er streckte den Arm aus.
»Und los!«
Mit Gebrüll drängte die Menge auf die Haupttür des Ville zu. Sie war offenbar erst kürzlich repariert und verstärkt worden. Vorneweg marschierten die beiden Männer mit den Rammböcken, sie schwangen sie, erst den einen, dann den anderen, und schlugen damit gegen die Tür. Das Holz erbebte und splitterte, und in weniger als einer Minute war der Einlass eingedrückt, die Menge drängte vor und fegte die Reste beiseite. Plock schloss sich den Massen an, während sie in eine dunkle, schmale und von schiefen Fachwerkhäusern gesäumte Gasse strömten. Sie wirkte merkwürdig leer, keine Bewohner zu sehen. Das Gebrüll der Menge erhob sich gleich einem Tierschrei, verstärkt durch die Enge im Ville, dann fielen die Leute in Laufschritt, bogen um die Ecke der Gasse und standen schließlich vis-à-vis der uralten Kirche.
Da zögerte die Menge. Die Kirche machte einen abweisenden Eindruck. Wie ein mittelalterliches Gebäude von Boschscher Fremdheit stand sie da: schief, mit Fachwerk und grob aussehenden Strebepfeilern versehen, die in die Luft ragten, bevor sie im Boden verschwanden. Das Portal befand sich an der Stirnseite, wieder eine Holztür mit Eisenbeschlägen und -nieten.
Doch das Zögern währte nur einen Augenblick. Dann ertönte abermals das Gebrüll, lauter denn je, und die Männer mit den Rammböcken rückten wieder vor und stellten sich beidseits der mit Eisen verstärkten doppelflügeligen Tür auf, schwangen die Rammen in abwechselndem, asynchronem Rhythmus: Bumm –
bumm!
Bumm –
bumm!
Bumm –
bumm!
Ein lautes Krachen verkündete, dass das uralte Eichenholz unter den unablässigen Schlägen nachgab. Diese Tür war zwar viel widerstandsfähiger als die erste, gab aber schließlich unter krachendem Splittern nach, zum Klang der abspringenden Eisennieten und -beschläge. Sie sackte nach innen und stürzte, getragen vom Eigengewicht, donnernd und erzitternd ein …
Und dort im Dämmerlicht, den Weg versperrend, standen zwei Männer. Der eine war groß und auffällig, er trug einen langen, dunkelbraunen Umhang, die Kapuze zurückgeschlagen, die dicken Brauen und ausgeprägten Wangenknochen verbargen beinahe die dunklen Augen, die blasse Haut leuchtete im Schein des aufgehenden Mondes, die Nase war wie eine Messerklinge, gebogen und scharf. Der andere Mann war kleiner, hatte weniger feine Gesichtszüge und trug eine abenteuerlich verzierte zeremonielle Robe. Es handelte sich offensichtlich um eine Art Priester. Er starrte die Eindringlinge mit vor Bösartigkeit glitzernden Augen an.
Die innere Kraft des größeren Mannes brachte die Menge sofort zum Schweigen. Er streckte eine Hand aus und sagte:
»Keinen Schritt weiter.«
Eine leise, begräbnisartige Stimme, mit einem leisen Akzent, den Plock nicht erkannte – die jedoch eine große Macht ausstrahlte.
Plock drängte sich vor und sah dem Mann mitten ins Gesicht. »Wie heißen Sie?«
»Bossong. Und es ist meine Gemeinde, die Sie mit Ihrer Anwesenheit entweihen.«
Plock reckte sich. Er war sich völlig darüber im Klaren, dass
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