Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
steckte er den gebrochenen Arm ins Hemd, knöpfte es bequem zu, dann kroch er über den Boden, bis er mit dem unverletzten Arm eine Backsteinmauer ertastete. Als er sich daran aufrichtete, spürte er, dass ihm übel wurde. Die Stimmen über ihm redeten weiter, überlagert jetzt von einem anderen, viel näheren Lärm. Rufe und Schreie, die ihm von irgendwo anders in diesem Kellergeschoss entgegenhallten und sich rasch näherten.
Also wurde er noch immer verfolgt.
Er rief so laut, wie er sich traute: »Pendergast!«
Keine Antwort.
Seine Taschenlampe war weg, aber ihm fiel das alte Zippo-Feuerzeug ein, das er bei sich trug, eine Angewohnheit aus jener Zeit, als er noch Zigarren rauchte. Er holte es hervor und schnippte es an. Er stand in einem kleinen Raum mit einem gewölbten Durchgang, der in einen Gang mit Backsteinwänden führte. Er bewegte sich langsam, damit die Schmerzen nicht die Übelkeit verstärkten, taumelte in den Durchgang und blickte sich um. Noch mehr Gänge mit Ziegelsteinwänden.
Als die Flamme ihm fast die Finger verbrannte, ließ er sie ausgehen. Er musste zurückgehen, die Glock ausfindig machen, Pendergast finden. Vor allem aber mussten sie Nora finden.
Er fluchte laut und schnippte das Feuerzeug wieder an. Er versuchte den stechenden Schmerz im Arm zu ignorieren, stützte sich an der Backsteinmauer ab und begab sich in den Haupttunnel. Er erkannte ihn nicht wieder – er sah aus wie alle anderen.
Langsam taumelte er weiter. Waren sie diesen Tunnel entlanggekommen? Im flackernden Schein des Feuerzeugs sah er auf dem feuchten, modrigen Boden frische Fußspuren, aber waren das seine? Da entdeckte er einen großen, gespreizten Abdruck eines nackten Fußes. Es lief ihm kalt den Rücken herunter.
Die Geräusche von oben wurden lauter: Schreie, das Krächzen eines Megafons, ein Knall. Das klang nicht mehr wie eine Zeremonie. Sondern so, als seien die Demonstranten eingetroffen.
War das Wesen deshalb verschwunden? Alles andere ergab keinen Sinn.
»Pendergast!«
Plötzlich sah er Lichter in der Dunkelheit. In einer Biegung in dem vor ihm liegenden Tunnel erschien eine Gruppe von Männern. Sie trugen Umhänge mit Kapuzen. Einige hielten Taschenlampen oder Fackeln in der Hand, andere trugen unterschiedliche Waffen. Schaufeln, Mistgabeln. Es waren zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig.
D’Agosta trat einen Schritt zurück und fragte sich, ob die Männer ihn wohl im Dunkeln entdeckt hatten.
Die Männer schrien, so schien es, wie mit einer Stimme und kamen auf ihn zugestürmt.
D’Agosta drehte sich um und rannte los, hielt dabei den gebrochenen Unterarm an die Brust. Er floh, so gut er konnte, die dunklen Tunnelgänge hinunter. Das Feuerzeug flackerte in der Zugluft und ging aus. Er blieb stehen, um es anzuzünden, sah sich um und begann wieder loszulaufen. Er bog um eine Ecke und stand in einem trostlosen Kellerraum voll mit Stapeln aus verrottetem Bauholz. Am anderen Ende befand sich eine Tür. Er lief hindurch und knallte sie hinter sich zu, dann lehnte er sich keuchend dagegen. Die Schmerzen im Unterarm machten ihn schwindlig. Das Zippo war bei dem Sprint ausgegangen, und als er es wieder anzündete, stellte er fest, dass er sich offenbar in einem anderen großen Vorratsraum befand. Er sah an sich hinunter – und das Herz gefror ihm in der Brust.
Keine zwei Meter vor ihm gähnte eine Grube, die mit gemauertem Naturstein eingefasst war. Eindeutig ein alter Brunnen mit glitschigen Innenwänden. Vorsichtig trat er näher und hielt das Feuerzeug über den dunklen Schlund. Die Grube schien unendlich tief zu sein. Ringsum stapelten sich Haufen mit uralten Möbeln, zerbrochenen Fliesen, schimmligen Büchern und anderem Trödel.
Verzweifelt blickte er sich nach einem Versteck um. Es gab viele, aber keines würde ihn lange verbergen, sollten diese Verrückten, die ihm auf den Fersen waren, jede Ecke und jeden Winkel durchstöbern. Er ging um den alten Brunnen herum, dann lief er weiter, dabei stieß er einen alten Rohrstuhl um, der zerbrach und sich in seinen Beinen verfing. Er schüttelte ihn heftig ab, dann duckte er sich unter einen Durchgang am anderen Ende des Vorratsraums. Jetzt stand er in einem riesigen, gruftähnlichen Raum mit uralten Steinsäulen und Kreuzgratgewölbe. Er leuchtete mit dem Feuerzeug umher: Es
war
eine weitere Gruft, allerdings anders als die erste. Die Wände und Böden waren mit Marmorplatten ausgelegt, in die Kreuze, Trauerweiden und Totenschädel gemeißelt waren,
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