Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
D’Agosta drehte sich in dessen Richtung um. Im gegenüberliegenden Durchgang stand Bossong, in der einen Hand eine große brennende Fackel. Sein Gesicht war blutüberströmt, aber er hatte nichts von seiner abweisenden, fast königlichen Haltung verloren.
»Arrêt!«,
rief er, und seine tiefe Stimme hallte durch die unterirdische Kammer.
Die Kreatur hielt inne, blickte auf, krümmte sich, das gelbsüchtige Auge aus der Höhle baumelnd.
D’Agosta sah, dass Lauras Waffe nur Zentimeter von Bossong entfernt auf dem Boden lag. Er machte eine Bewegung in die Richtung, aber Bossong hob sie sofort auf und richtete sie auf ihre Gruppe.
»Bossong!«, rief D’Agosta. »Rufen Sie es zurück!«
Bossong, der Anführer des Ville, sagte nichts, sondern richtete die Waffe auf ihre kleine Gruppe.
»Geht es in Ihrer Religion darum? Um dieses Monster?«
»Dieses Monster«, er spuckte das Wort förmlich aus, »ist unser Beschützer.«
»Und so beschützt es euch? Indem es eine Polizeibeamtin in Ausübung ihrer Dienstpflichten zu töten versucht?«
Bossong blickte zu D’Agosta, dann zum Zombie, dann zu Hayward und schließlich wieder zu D’Agosta.
»Sie hat nichts getan! Rufen Sie es zurück!«
»Sie ist in unsere Gemeinschaft eingedrungen, hat unsere Kirche entweiht.«
»Sie ist hierhergekommen, um mich zu retten, um die anderen zu retten.« D’Agosta sah Bossong mitten ins Gesicht. »Ich habe Sie immer für einen blutrünstigen Anhänger eines Kults gehalten, der Tiere aus irgendeiner abartigen Lust tötet. Kommen Sie, Bossong, beweisen Sie mir das Gegenteil. Jetzt haben Sie die Gelegenheit dazu. Zeigen Sie mir, dass Sie etwas anderes sind. Dass Ihre
Religion
etwas anderes ist.«
Einen Augenblick blieb Bossong reglos stehen. Dann reckte er sich zu voller Größe und drehte sich zu dem Zombie um.
»C’est suffice!«,
rief er.
»N’est-ce envoi pas!«
Das Geschöpf gab ein unartikuliertes, schlürfendes Geräusch von sich, Speichel sammelte sich in seiner Kehle, während es zu seinem Herrn hinaufstarrte. Es lockerte den Griff um Lauras Hals, und Laura riss sich los, hustend und keuchend. D’Agosta zog sie auf die Füße. Gemeinsam wichen sie zurück.
»Das hier muss aufhören!«, sagte Bossong. »Die Gewalt muss enden.«
Das Wesen ruckte und zuckte in einem qualvollen Kampf der Unentschiedenheit. Es blickte Hayward an, dann Bossong, dann wieder Hayward. Beim Zuschauen erkannte D’Agosta, dass erneut ein irres Verlangen von dem Wesen Besitz ergriff. Es kauerte nieder und stürzte sich auf Laura.
In dem beengten Raum klang der Schuss ohrenbetäubend laut. Die Kreatur, mitten im Sprung getroffen, wirbelte um die eigene Achse und sank zu Boden. Vor Schmerzen aufheulend und von einer bestialischen Wut gepackt, erhob sie sich auf Hände und Knie, während Blut aus einer zweiten Wunde in ihrer Seite sickerte, und watschelte – schneller und schneller, beseelt von einem neuen, grauenhaften Ziel – auf Bossong zu. Die nächste Kugel traf die Kreatur in den Unterleib, so dass sie den Oberkörper beugte und fürchterlich röchelte. Unglaublicherweise versuchte sie, abermals aufzustehen, während ihr das Blut aus den Wunden und dem weit aufgerissenen Mund spritzte, doch die dritte Kugel traf sie in die Brust, und sie stürzte erneut zu Boden, sich wälzend, zitternd und unkontrollierbar zuckend. D’Agosta versuchte, die Kreatur zu fassen zu bekommen, aber es war zu spät: Sich windend und grässlich stöhnend stürzte sie kopfüber über den Rand der Grube. Gleichzeitig stieß sie einen feuchten, gurgelnden Schrei aus, der nach einer furchtbar langen Sekunde in einem leisen Platschen endete.
Langsam senkte Bossong die rauchende Waffe. »So endet es, wie es begonnen hat«, sagte er. »In Finsternis.«
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84
Esteban betrat die Zelle und blieb stehen. Wen zuerst? Aber er war keiner, der sich wegen einer Entscheidung ewig den Kopf zerbrach, deshalb trat er über die Leiche der Frau und schritt auf die blutige Gestalt des FBI -Agenten zu. Vor allem er verdiente es, zu sterben. Aber natürlich, dachte Esteban, und lächelte ironisch, ist er bereits tot, oder wenigstens größtenteils. Das Ganze würde eine große Sauerei geben, und in dem beengten Raum würde ihm der Schuss in den Ohren klingeln. Er ging die Schritte durch, die er befolgen musste, und lud das Magazin nach. Die eigene Kleidung könnte er zusammen mit den Leichen und den Waffen begraben – da gab’s keine Probleme. Es war heutzutage zwar nicht mehr
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