Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
werden sollten.«
Einen Augenblick brachte Hayward kein Wort heraus. Sie drosselte das Tempo und bog auf den Seitenstreifen. Der Wagen kam leicht schleudernd auf dem Randstreifen zum Stehen.
»Captain Hayward?«
»Ich bin noch da.« Mit zittrigen Fingern gab sie
Caltrop,
LA
in ihr GPS ein. »Eine Sekunde.« Das GPS berechnete die Zeit, die sie von ihrem Standort bis nach Caltrop brauchen würde. »Ich bin in zwei Stunden bei Ihnen. Vielleicht weniger.«
»Wir erwarten Sie.«
Sie klappte das Handy zu und legte es auf den Beifahrersitz. Dann holte sie tief und erschauernd Luft. Und dann gab sie völlig abrupt Gas, kurbelte das Lenkrad herum und wendete um 180 Grad, so dass der Schotter hinter dem Wagen aufspritzte und das Heck mit quietschenden Reifen auf den Highway zurückschleuderte.
Judson Esterhazy schlenderte, die Hände in die Taschen des Arztkittels geschoben, durch die doppelflügelige Glastür in die warme Abendluft und atmete tief durch. Von seinem Aussichtspunkt im überdachten Bereich des Haupteingangs des Krankenhauses blickte er auf den Parkplatz. Die von Natriumdampflampen hellerleuchtete Fläche führte um den Haupteingang herum und zog sich um eine Seite des kleinen Krankenhauses; sie war zu drei viertel leer. Ein ruhiger, ereignisloser Märzabend im Krankenhaus von Caltrop.
Er wandte seine Aufmerksamkeit der räumlichen Anordnung des Geländes zu. Hinter dem Parkplatz erstreckte sich eine gemähte Rasenfläche bis hinunter zu einem kleinen See. Am anderen Ende des Krankenhauses befand sich ein schmaler Park mit einigen sorgfältig gepflanzten und gepflegten Tupelobäumen. Zwischen diesen verlief ein Fußweg, an den schönsten Stellen waren Granitbänke aufgestellt.
Esterhazy, allem Anschein nach ein Arzt, der an die frische Luft gegangen war, schlenderte über den Parkplatz zum Rand des kleinen Parks und setzte sich auf eine Bank. Träge las er die Namen, die in die Bank geschnitzt waren – eine dumme Spielerei, aber die Spender wollten eben nicht anonym bleiben.
Bislang war alles nach Plan gelaufen. Sicher, es war ziemlich schwierig gewesen, D’Agosta zu finden. Irgendwie war es Pendergast gelungen, ihm eine neue Identität zu verschaffen, außerdem hatte er medizinische Berichte gefälscht, eine Geburtsurkunde besorgt, das komplette Programm. Hätte Judson nicht Zugang zu nichtöffentlichen pharmazeutischen Akten gehabt, dann hätte er den Lieutenant womöglich nie aufgespürt. Letztlich hatte die Schweine-Herzklappe den notwendigen Hinweis geliefert. Jetzt wusste er, dass D’Agosta wegen seines verletzten Herzens in eine Kardio-Klinik verlegt worden war. D’Agostas Voruntersuchungen hatten ergeben, dass seine Aortenklappe stark geschädigt war. Der Mistkerl hätte sterben sollen, doch als er wider Erwarten überlebte, war Judson klar, dass D’Agosta eine Schweine-Herzklappe brauchen würde.
Es gab nicht viele Anfragen nach Herzklappen von Schweinen im System.
Wenn du die Schweineklappe findest, findest du auch den Mann.
Und genau das hatte er getan.
Und da war ihm aufgegangen, dass er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte. D’Agosta war zwar nicht das Hauptziel, aber komatös und im Sterben liegend konnte er trotzdem einen höchst wirksamen Köder abgeben.
Er sah auf die Uhr. Pendergast und Hayward operierten, wie er wusste, noch immer von Penumbra aus; vermutlich waren sie höchstens ein paar Stunden entfernt. Und natürlich waren sie mittlerweile über D’Agostas Gesundheitszustand informiert und würden wie die Verrückten hierher ins Krankenhaus rasen. Das Timing war perfekt. D’Agosta lag im Sterben, wegen der Dosis Pavulon, die er ihm verabreicht hatte, wobei die Dosierung zwar weit im tödlichen Bereich lag, aber so fein abgestimmt war, dass sie nicht sofort zum Tod führte. Das war das Schöne am Pavulon – die Dosis konnte so angepasst werden, dass sie den Todeskampf in die Länge zog. Sie führte zu zahlreichen Krankheitssymptomen, wie man sie auch bei einem anaphylaktischen Schock beobachtete, und hatte eine Halbwertszeit im Körper von weniger als drei Stunden. Pendergast und Hayward würden gerade noch rechtzeitig eintreffen, um das Todesröcheln mitzuerleben.
Esterhazy erhob sich und schlenderte den mit Backsteinen gepflasterten Gehweg entlang, der durch den kleinen Park führte. Der Lichtschein vom Parkplatz reichte nicht weit, beließ den Park zum großen Teil im Dunkeln. Hier könnte ein geeigneter Standort sein, um den Schuss abzugeben. Wenn er
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