Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
denn ein Scharfschützengewehr verwenden würde. Aber das konnte natürlich nicht funktionieren. Wenn die beiden ankamen, würden sie möglichst nahe am Haupteingang parken, aus dem Auto springen und ins Gebäude laufen – und wären damit sich ständig bewegende Zielscheiben. Nachdem er Pendergast vor Penumbra nicht erwischt hatte, hatte Esterhazy keine Lust, es noch einmal auf diese Weise zu versuchen. Diesmal wollte er keine Risiken eingehen.
Darum die abgesägte Schrotflinte.
Er ging zurück in Richtung Krankenhauseingang. Dort positioniert, wären seine Erfolgsaussichten sehr viel besser. Er würde auf der rechten Seite des Gehwegs Stellung beziehen, zwischen den Laternen. Egal, wo Pendergast und Hayward parkten, sie müssten dicht an ihm vorbeikommen. Dort würde er sie dann – im Arztkittel, das Klemmbrett in der Hand, den Kopf darübergebeugt – in Empfang nehmen. Sie würden besorgt sein, in Eile, er würde der Arzt sein, also keinerlei Argwohn erregen. Was konnte normaler sein? Sie würden sich ihm nähern und aus dem Gesichtsfeld all jener, die sich im Gebäude, hinter der Glastür befanden, verschwinden. Dann würde er die abgesägte Flinte unter dem Arztkittel hervorziehen und aus nächster Nähe, aus der Hüfte schießen. Die gewaltige Schrotflinte würde ihnen die Eingeweide und das Rückenmark buchstäblich aus dem Rücken pusten. Dann musste er nur noch die sieben Meter zum Auto gehen, einsteigen und wegfahren.
Mit geschlossenen Augen ging er den Ablauf durch und nahm dabei die Zeit. Fünfzehn Sekunden, mehr oder weniger, von Anfang bis Ende. Sobald der Sicherheitsbeamte am Empfangstresen nach Unterstützung telefoniert und den Mumm aufgebracht hätte, sich mit seinem dicken Hintern nach draußen zu bewegen, wäre er, Judson, längst über alle Berge.
Es war ein guter Plan. Einfach und idiotensicher. Seine Zielpersonen wären unvorbereitet, exponiert. Selbst der legendär coole Pendergast würde aufgeregt sein. Keine Frage, Pendergast gab sich die Schuld an D’Agostas Zustand – und nun lag sein guter Freund auch noch im Sterben.
Die einzige Gefahr, allerdings nur eine geringe, konnte dann drohen, wenn ihn jemand im Krankenhaus ansprach oder zur Rede stellte, bevor die Zeit des Handelns gekommen war. Doch das war eher unwahrscheinlich. Es war ein teures Privatkrankenhaus und groß genug, dass ihn niemand zweimal angeschaut hatte, als er hereinmarschiert kam und seinen Ausweis vorzeigte. Er war geradewegs in D’Agostas Zimmer spaziert und hatte ihn vollgepumpt mit Schmerzmitteln vorgefunden, in tiefem Schlaf nach der Operation. Man hatte keinen Security-Beamten postiert, offensichtlich weil man den Eindruck hatte, D’Agostas Identität gut genug verborgen zu haben. Und Judson musste schon zugeben, man hatte das hervorragend hinbekommen, der ganze Papierkram stimmte, alle im Krankenhaus glaubten, es handele sich um Tony Spada aus Flushing, Queens …
Außer dass er der einzige Patient in der ganzen Region war, der ein vierzigtausend Dollar teures Aortenklappe-Transplantat aus einem Schweineherzen benötigte.
Er hatte das Pavulon ganz oben in die Infusionslösung injiziert. Als der Alarm losging, befand er sich längst in einem anderen Bereich des Krankenhauses. Niemand befragte ihn, man sah ihn nicht einmal schräg von der Seite an. Weil er selbst Arzt war, wusste er genau, welchen Eindruck man vermitteln, wie man sich verhalten, was man sagen musste.
Er blickte auf die Uhr. Dann schlenderte er zu seinem Wagen hinüber und stieg ein. Die Schrotflinte schimmerte auf dem Boden vor dem Beifahrersitz. Er würde eine Weile hier sitzen bleiben, im Dunkeln. Dann würde er die Flinte unter seinem Kittel verstecken, aus dem Auto steigen, zu seiner Stellung zwischen den Laternen gehen … und warten, dass die Vögel angeflogen kamen.
Hayward erblickte das Krankenhaus am Ende der langen, geraden Zufahrtsstraße, ein zweistöckiges Gebäude, das in der Nacht schimmerte, gelegen inmitten einer weitläufigen, leicht ansteigenden Rasenfläche, die vielen Fenster spiegelten sich im Wasser eines nahe gelegenen Teichs. Sie gab Gas, die Straße wurde ein wenig abschüssig, überquerte einen Bach, stieg dann wieder an. Nicht weit vom Eingang entfernt bremste sie stark ab, um die überhöhte Geschwindigkeit zu drosseln, und bog, während die Reifen auf dem vom Tau bedeckten Asphalt leise quietschten, in die letzte Kurve vor dem Parkplatz.
Abrupt kam sie in der Parkbucht zum Stehen, die dem
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