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Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit

Titel: Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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zwischen den Augen. Bei mehr als fünf Zentimetern ist es entweder ein Alligator oder unser Schütze. Verstehen Sie?«
    Wieder nickte sie und hielt dabei die Waffe umklammert.
    »Das hier ist eine gute Deckung. Man wird Sie erst sehen, wenn Sie gesehen werden wollen. Aber hören Sie mir jetzt genau zu: Sie
müssen
wach bleiben. Wenn Sie die Besinnung verlieren, sterben Sie.«
    »Sie sollten jetzt besser losgehen«, murmelte sie.
    Pendergast spähte in die Dunkelheit. Zwischen den Reihen der Baumstämme war so gerade eben ein schwacher gelblicher Lichtschein zu sehen. Er zückte ein Messer, hob die Hand und ritzte in beide Seiten des dicksten Baumstamms ein großes X. Nachdem er Hayward zurückgelassen hatte, machte er sich in Richtung Süden auf den Weg, wobei er sich den fernen Lichtern auf einer enger werdenden, spiralähnlichen Route näherte.
    Damit er möglichst wenig Geräusche machte, bewegte er sich langsam und zog die Schuhe vorsichtig aus dem Schlamm. Er nahm keinerlei Anzeichen für Aktivitäten wahr und hörte auch keine Laute aus der Richtung des fernen Lichts, das zwischen den dunklen Baumstämmen aufflackerte und wieder verschwand. Während er seine Kreise enger zog, wurden die Bäume lichter, so dass ein mattes gelbes Rechteck in Sicht kam: ein Fenster mit einem Vorhang, hell in der Schwärze, inmitten einer Gruppe von vage erkennbaren Gebäuden mit Giebeldächern.
    Nach weiteren zehn Minuten war er so nahe an das alte Jagdcamp auf Spanish Island vorgerückt, dass sich ihm ein unverstellter Blick bot.
    Es war eine große, weitläufige Anlage, errichtet kurz oberhalb der Wasserlinie auf mit Kreosot imprägnierten Pfählen. Mindestens ein Dutzend große, mit Schindeln gedeckte Gebäude, eingezwängt zwischen einer großen Gruppe uralter kahler Sumpfzypressen, die dicht mit Spanischem Moos behängt waren. Das Camp lag unmittelbar am Rand eines kleinen Stillwasser-Bayou. Es war auf marginal höherem Gelände erbaut und umgeben von einem Schutzschirm aus Farnen, Sträuchern und hohem Gras. Der dichte Vorhang aus Pflanzen, in Verbindung mit den nahezu undurchdringlichen Strähnen des hängenden Mooses, verlieh ihm eine Atmosphäre des Verstecktseins, des Kokonartigen.
    Pendergast näherte sich dem Camp von der Seite, hielt dabei Ausschau nach Wachen und versuchte, die räumliche Anordnung zu begreifen. Am einen Ende führte eine große Plattform aus Holz zu einem Steg mit einem Schwimmdock, das in den Bayou hineinragte. Daran festgemacht war ein ungewöhnliches Boot, das Pendergast als kleines, wendiges Allzweckboot der Navy aus der Zeit des Vietnamkriegs identifizierte. Es hatte einen Tiefgang von lediglich acht Zentimetern und einen leisen Unterwasser-Jet-Antrieb – ideal, um unbemerkt im Sumpf umherzufahren. Zwar waren einige der Nebengebäude verfallen, die Dächer eingefallen, doch das eigentliche Camp war in gutem Zustand und eindeutig bewohnt. Ein großes Nebengebäude war ebenfalls in tadellosem Zustand. Schwere Vorhänge hingen vor den Fenstern und ließen einen nur schwachen gelblichen Lichtschein durch.
    Nachdem er seine Umkreisung beendet hatte, war Pendergast überrascht: Niemand schien Wache zu halten. Im Camp war es grabesstill. Sollte der Schütze hier sein, dann hielt er sich außergewöhnlich gut versteckt. Er wartete, horchte. Und dann hörte er etwas, einen fernen, verzweifelten Schrei, dünn und vogelähnlich, gerade oberhalb der Schwelle zur Hörbarkeit, wie von jemandem, der alle Hoffnung verloren hatte, im Sterben lag. Als auch dieser Laut erstarb, senkte sich tiefe Stille über das Camp.
    Pendergast zückte seine Les Baer und näherte sich dem Camp von der Rückseite, wobei er sich durch das Farndickicht am Rand der Stützpfähle zwängte. Wieder lauschte er, hörte jedoch keine weiteren Geräusche, keine Schritte auf den Holzplanken über sich, kein aufblitzendes Licht, keine Stimmen.
    Befestigt an einem der Pfähle war eine krude Holzleiter mit glitschigen, verrotteten Sprossen. Nach einigen weiteren Minuten bewegte er sich, halb kriechend, halb schwimmend, darauf zu, packte die unterste Sprosse und zog sich hinauf, wobei er jede Sprosse auf ihre Stabilität prüfte. Kurz darauf hatte er mit dem Kopf die Höhe der Plattform erreicht. Als er darüber hinwegspähte, konnte er trotz des Mondlichts nicht erkennen, ob jemand Wache hielt.
    Nachdem er sich auf die Plattform gezogen hatte, wälzte er sich über die roh behauenen Holzplanken und blieb dann liegen, die Waffe im Anschlag.

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