Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
der versuchte, ihn zu verarschen, würde bald wünschen, er wäre nie geboren worden.
Er setzte sich aufs Sofa und nahm einen Schluck von seinem Scotch. Diese gierige Ratte wartete am anderen Ende der Leitung, klar tat er das, er wartete darauf, dass Blast zurückrief und ihm mehr Geld bot. Na, eher würde die Hölle zufrieren. Blast wusste, was solche Jobs kosteten, und, noch entscheidender, er wusste, wie man andere Schläger anheuerte, Schläger mit mehr Erfahrung, wenn gewisse Rädchen neu geschmiert werden mussten …
Es klingelte an der Tür.
Blast ließ es zu, dass sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Er warf einen Blick auf die Uhr: zwei Minuten. Seit dem Anruf waren lediglich zwei Minuten vergangen. Der Dreckskerl wollte also reden. Hielt sich für einen echten Schlaumeier. Er trank einen Schluck von seinem Drink und machte es sich auf dem Sofa gemütlich.
Wieder klingelte es.
Langsam stellte Blast das Glas auf den Untersetzer. Sollte der Dreckskerl doch schwitzen. Vielleicht konnte er den Preis sogar noch etwas herunterhandeln. Es wäre nicht das erste Mal.
Es klingelte wieder. Jetzt aber rappelte Blast sich auf, strich mit dem Finger über das schmale Oberlippenbärtchen, ging mit großen Schritten zur Tür und riss sie auf.
Überrascht trat er zurück. Vor der Tür stand nicht die schleimige Ratte, die er erwartet hatte, sondern ein hochgewachsener Mann mit dunklen Augen und dem Aussehen eines Filmstars. Er trug einen langen schwarzen Trenchcoat, locker gegürtet. Blast erkannte, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte, als er die Tür öffnete. Doch bevor er sie wieder zuknallen konnte, war der Mann bereits eingetreten und hatte sie hinter sich geschlossen.
»Mr. Blast?«
»Wer sind Sie?«, entgegnete Blast.
Anstatt zu antworten, trat der Mann abermals vor. Und zwar so plötzlich, so entschieden, dass Blast sich gezwungen sah, noch einen Schritt zurückzuweichen. Winselnd liefen die beiden Spitze ins Schlafzimmer, wo sie sicher waren.
Der hochgewachsene Mann musterte ihn von oben bis unten, und irgendein starkes Gefühl ließ seine Augen glitzern. Angst? Wut?
Blast schluckte. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was dieser Mann von ihm wollte, doch irgendein inneres Gefühl von Selbsterhaltung, ein sechster Sinn, den er bei seiner jahrelangen Geschäftstätigkeit am äußersten Rand der Legalität erworben hatte, verriet ihm, dass ihm Gefahr drohte.
»Was wollen Sie?«, fragte er.
»Ich heiße Esterhazy«, erwiderte der Mann. »Kommt Ihnen der Name bekannt vor?«
Er kam ihm bekannt vor. Und wie. Dieser Typ, Pendergast, hatte ihn erwähnt. Helen
Esterhazy
Pendergast.
»Nie gehört.«
Mit einer jähen Bewegung löste Esterhazy den Gürtel seines Trenchcoats. Der Mantel schwang auf und enthüllte eine abgesägte Schrotflinte.
Blast wich zurück. Die Zeit verlangsamte sich, der Adrenalinstoß setzte ein. Mit einer Art Klarheit des Schreckens bemerkte Blast, dass der Schaft aus schwarzem Holz bestand und kunstvoll verziert war.
»Warten Sie«, sagte er. »Hören Sie, was immer es ist, wir können das doch klären. Ich bin ein vernünftiger Mensch. Sagen Sie mir, was Sie wollen.«
»Meine Schwester. Was haben Sie ihr angetan?«
»Nichts. Gar nichts. Wir haben nur geredet.«
»Geredet.« Der Mann lächelte. »Worüber?«
»Nichts. Nichts Wichtiges. Schickt Sie dieser Pendergast? Ich habe ihm schon alles erzählt, was ich weiß.«
»Und was genau wissen Sie?«
»Sie wollte das Bild nur sehen. Das Schwarzgerahmte, meine ich. Sie habe da eine Theorie, sagte sie.«
»Eine Theorie?«
»Ich weiß es nicht mehr genau. Wirklich, bitte glauben Sie mir. Es ist schon so lange her.«
»Nein. Ich will etwas über diese Theorie hören.«
»Ich würde es Ihnen sagen, wenn ich mich daran erinnern könnte.«
»Sind Sie sicher, dass Sie sich an nichts weiter erinnern?«
»Das ist alles. Ich schwöre es, das ist alles.«
»Danke.« Mit einem ohrenbetäubenden Donnern spuckte einer der Läufe Rauch und Flammen. Blast spürte, wie er vom Boden abhob und zurückgeschleudert wurde, bis er krachend auf dem Fußboden aufschlug. Ein taubes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. Erstaunlich, diese Abwesenheit von Schmerz, und einen kurzen Augenblick hegte er die verrückte Hoffnung, der Schuss könnte ihn verfehlt haben … Und dann blickte er auf seinen zerstörten Brustkorb hinunter.
Wie aus weiter Ferne sah er – jetzt ein wenig schemenhaft und undeutlich –, wie der
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