Pendragon - Der Anfang
ein Vielfraß, hättest du vielleicht noch eine Weile gelebt.« Er nickte den Rittern zu, und sie schleiften ihn zum Schacht hinüber.
»Ca … ca!«, flehte er. »Maga con dada pey! Maga con dada! Meine arme Frau und meine beiden Kinder! Bitte! Ich muss für sie sorgen! Sie sind ganz allein!«
Das Ganze war so entsetzlich, dass ich es erst später begriff … Ich hatte ihn verstanden. Es ergab keinen Sinn, dass er plötzlich die Sprache gewechselt hatte. Osa hatte mir ja erklärt, dass Reisende alle Sprachen verstanden, und da ich das auf einmal auch konnte, war ich vielleicht doch ein Reisender.
Aber darüber dachte ich erst viel später nach. Im Augenblick war ich Zeuge des entsetzlichsten Geschehens, das man sich vorstellen kann. Die beiden Ritter zerrten ihr Opfer immer näher an das Loch heran. Plötzlich drängte sich eine Frau durch die Menge, um dem Mann zu helfen. Sie war in Tränen aufgelöst und flehte um Gnade. Bestimmt war sie seine Frau, aber ihr Mut half ihm auch nicht. Ein anderer Ritter griff nach ihr und schleuderte sie zu Boden. Weinend blieb sie im Gras liegen.
Endlich hatten die brutalen Kerle den Rand des Schachtes erreicht, als der Milago aufhörte zu jammern. Bis jetzt hatte er geweint
und um sein Leben gebettelt. Aber nun richtete er sich auf und schwieg. Ich schwöre, dass sein Gesichtsausdruck fast schon als gelassen gelten konnte. Die Ritter hatten keine Ahnung, was los war. Sie waren nicht daran gewöhnt, dass jemand im schlimmsten Augenblick seines Lebens ruhig blieb.
Der Mann stand still, sah Saint Dane an und sagte mit fester, lauter Stimme: »Ich bedauere nur, dass ich es nicht mehr erlebe, wenn Kagan so leiden muss, wie wir alle gelitten haben.«
Saint Dane lachte und erwiderte: »Keiner von euch wird das erleben, denn dieser Tag wird nie kommen.« Dann nickte er den Rittern kaum merklich zu, und sie stießen den Unglücklichen rücklings in den Schacht. Seine Frau schrie auf, aber der Mann gab keinen Laut von sich. Er stand nur da, und in der nächsten Sekunde war er … einfach weg. Hoffentlich starb er auf der Stelle und fand sich an einem besseren Ort als an diesem hier wieder.
Der Ritter, der die Kette hielt, ließ sie los, und mit einem lauten Krachen fiel die Abdeckung zurück auf das Loch. Saint Dane ging auf Rellin zu, der ihm fest in die Augen blickte. Saint Dane deutete auf die weinende Frau.
»Morgen nehmen wir sie für den Transfer«, sagte er vergnügt. »Sie scheint nicht schwer zu sein. Das wird euch einen leichten Tag bescheren. Danke mir für meine Rücksichtnahme.«
Rellin starrte Saint Dane an, und ich glaubte sekundenlang, er würde ihm ins Gesicht spucken. Doch stattdessen biss er die Zähne zusammen und sagte: »Danke.«
»Es ist mir ein Vergnügen«, antwortete Saint Dane lächelnd. Dann ging er zu seinem Pferd hinüber, stieg in den Sattel und wollte gerade losreiten, als er noch einmal zu uns herüberblickte.
Tatsächlich kam es mir so vor, als sähe er mich an. Ich spürte es. Er wusste, dass ich auf dem Dach lag. Hatte er die ganze Show nur für mich abgezogen? Saint Dane lachte, stieß dem Pferd die
Absätze in die Flanken und ritt an den erstarrten Menschen vorbei zurück zum Palast der Bedoowan.
Mit ihren Speeren trieben die Ritter ein paar Bergleute zu dem Glaze-Korb. Die wertvollen Steine mussten zu Kagan gebracht werden, und ganz sicher würden die Ritter sie nicht tragen. Das war Sklavenarbeit. Die Männer nahmen den Korb von der Waage und machten sich auf den beschwerlichen Weg zum Palast. Die übrigen Dorfbewohner gingen auseinander. Niemand sprach auch nur ein Wort. Ein paar Leute kümmerten sich um die arme Frau, deren Mann getötet worden war, aber die meisten eilten in ihre Hütten zurück. Sie hatten dieses Grauen schon oft genug erlebt, und wahrscheinlich würde sich auch in Zukunft nichts daran ändern.
Ich war in heller Panik. Ich hatte miterlebt, wie ein Mensch kaltblütig umgebracht wurde. Es war noch schlimmer als der Tod des Obdachlosen, den Saint Dane dazu gebracht hatte, vor den Zug zu springen. Das war grauenvoll gewesen, erschien mir jetzt aber ganz unwirklich. Das hier war die Realität, und ich verstand sie nicht. Meine Gefühle waren in Aufruhr. Ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich weinte. Es waren Tränen der Wut, der Furcht und der Trauer um einen Mann, den ich nicht gekannt hatte. Und um seine Familie. Mir war egal, dass ich vor Loor und allen anderen weinte. Ich hatte jegliche Selbstbeherrschung
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