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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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klettern konnte. Der Sack mit den Hühnern machte diese
Prozedur noch gefährlicher. Als sie endlich atemlos oben war, setzte sie sich
rittlings auf den First und blickte in den Schornstein. Unter ihr war alles
schwarz.
    Sie rief Meg zu, die noch immer die Leiter hielt: »Geh ins Haus
und fang die Hühner auf, wenn sie durch den Schornstein fallen.«
    »Die Hühner fangen?« rief Meg zurück.
    »Ja!«
    Nach kurzem Zögern verschwand Meg im Haus.
    »Fall nicht runter!« piepste Tildy von unten.
    »Bestimmt nicht ...«, hauchte Delia und betete stumm zum Allmächtigen.
    Sie griff in den Sack und packte ein Huhn,
blickte noch einmal in den Schornstein und rief: »Bist du da?« Zuerst hörte sie
nur das dumpfe Echo ihrer eigenen Stimme, aber dann drang Megs Antwort
undeutlich zu ihr herauf. Delia preßte die Schenkel fest gegen die Schindel und
beugte sich vor. Sie mußte gegen den unwiderstehlichen Drang ankämpfen, die
Augen zu schließen, und warf zuerst ein gackerndes Huhn in den Schornstein und
dann das zweite. Sie hörte wildes Flattern, aber dann wurde es plötzlich
still.
    »Meg?«
    »Sie hängen fest! Die Hühner hängen fest ...«
    Delia schob sich die schweißnassen Haare aus der Stirn und murmelte:
»Du meine Güte, Delia, wie schaffst du es nur, dich immer in die verrücktesten
Situationen zu bringen?«
    Mit Todesverachtung rutschte sie Stückchen
für Stückchen auf dem steilen Dach nach unten. Als ihr Fuß die Leiter berührte,
ließ das Zittern etwas nach, und als sie schließlich wieder festen Boden unter
den Füßen hatte, konnte sie kaum glauben, daß sie es geschafft hatte. Aber es
blieb keine Zeit, sich über diesen Erfolg zu freuen. Keuchend eilte sie ins
Haus. Meg und Delia starrten in den Schornstein und sahen nur Schwärze.
    »Sie sind völlig still ...«, flüsterte Meg.
»Glaubst du, sie sind tot?«
    »Wenn sie tot sind, gibt es heute abend
Hühnersuppe.«
    »Aber wie sollen wir Feuer machen, wenn die Hühner dort oben
hängen?«
    Das war wirklich ein ernstes Problem. Delia dachte fieberhaft
lach. »Ich weiß«, sagte sie schließlich. »Ich werde irgend etwas holen und
damit in den Schornstein stoßen.«
    Sie ging in den Vorraum und sah sich um. Eine Hacke an der Wand
schien ihr das geeignete Werkzeug zu sein, und bald stand sie unter dem Kamin
und stieß mit dem Stiel nach oben. Nichts geschah. »Ich komme mit der Hacke
nicht hoch genug. Meg, setz dich auf meine Schulter, und versuch du es.«
    Meg bekam kreisrunde Augen, aber sie nickte
eifrig.
    Delia ging in die Hocke, und Meg kletterte auf ihren Rücken. Als
sie auf ihren Schultern saß, griff sie nach der Hacke. Delia stand angsam auf.
»Versuch es, Meg!«
    Meg stieß zu, die Hühner gackerten und flatterten, und dann
regneten Federn und Ruß auf sie herab.
    Plötzlich
fiel ein Huhn und dann das andere herunter, und im Gefolge kam eine Rußlawine
durch den Schornstein. Meg schrie auf und beugte sich zurück. Delia verlor das
Gleichgewicht. Sie sank mit Meg rückwärts auf den Boden. Dabei stieß sie gegen
eine Pfanne, die über den Boden rutschte und ein halbes Dutzend Axtstiele
umwarf, die laut polternd wie Kegel durch die Küche rollten. Delia saß
plötzlich mit einem Ruck auf dem Hintern, Meg landete auf ihrer Brust, und sie
fielen beide auf den Rücken.
    Delia blieb wie erstarrt liegen und glaubte, sie werde ersticken.
Als sie endlich wieder Luft bekam, stützte sie sich mühsam auf die Ellbogen und
blickte Meg an, die sie anstarrte. Delia sah nur ein kohlschwarzes Gesicht und
zwei weiße Augen. »Lebst du noch?« flüsterte sie.
    Meg faßte sich an die Stirn. »Ich hab mir den Kopf angestoßen ...«,
jammerte sie, aber dann fing sie an zu kichern. Auch Delia mußte lachen.
    Sie konnten beide nicht mehr aufhören zu lachen, während die
Hühner, die wundersamerweise den Sturz durch den Kamin überlebt hatten,
verstört und gackernd in der Küche herumliefen.
    Plötzlich hörten sie draußen Tildys lautes Geschrei. Delia dachte
sofort an Wölfe oder Indianer und andere Schrecken, sprang entsetzt auf, stand
aber noch etwas unsicher auf den Beinen. Tildy hörte nicht auf zu schreien.
Delia griff nach der Hacke und stürmte, gefolgt von Meg, nach draußen.
    Als Tildy die beiden sah, hüpfte sie aufgeregt auf und ab und
rief: »Die Ziege ist im Garten! Sie frißt alles ...!«
    Delia hob wütend die Hacke über den Kopf und rannte wie der Blitz
los, um ihren Garten zu retten, den sie in den letzten Wochen mühevoll gehegt
und gepflegt

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