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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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dem
Zeigefinger seinen Mund berührte ...
    Die Tür ging quietschend auf, und die beiden Mädchen stürmten
atemlos herein. »Ist das richtig, Dr. Tyl?« fragte Meg und hielt ihm ein
zusammengelegtes Leinentuch entgegen.
    »Aber ja ...«, antwortete er verwirrt. Delias Beine zitterten so
heftig, daß sie sich haltsuchend an die Wand lehnte. Vorsichtig vermied sie
es, ihn anzusehen.
    Es dauerte nicht lange, bis Tyl die große Keule in das Tuch
gewickelt hatte. Danach gab es für ihn keinen Grund mehr zu bleiben. Die
Mädchen hüpften vor ihnen her, während Delia ihn bis zu der Stelle begleitete,
wo der Weg im Wald verschwand. Sie sprachen nicht miteinander, und sie sahen
sich nicht an. Sie wußten beide, ohne die Störung durch die Kinder hätten sie
sich im nächsten Augenblick geküßt.
    Und wenn sich ihre Lippen erst einmal berührt hätten, wären sie
nicht in der Lage gewesen, es dabei zu belassen.

18
    Die letzten
Worte von »Ein feste Burg ist unser Gott« hallten von den dicken kahlen
Holzwänden wider, dann knarrten laut die einfachen harten Bänke mit den
geraden hohen Lehnen, als die Gemeinde sich setzte.
    Die heißen Strahlen der Augustsonne fielen durch die blank
geputzten Fensterscheiben. Kein Wunder also, daß die Luft stickig war. Der
starke Geruch von Sägemehl übertönte alle anderen Gerüche. Delia spürte
erschrocken, daß sie niesen mußte. Schnell hielt sie sich die Nase mit Daumen
und Zeigefinger zu. Ein kurzer Blick zur Seite zeigte ihr, daß Nat mißbilligend
die Stirn runzelte.
    Sie wurde rot und nahm verlegen die Finger von der Nase. Aber dann
mußte sie heftig niesen. In der einsetzenden Stille hörte man von allen Seiten
unterdrücktes Lachen, und Meg grinste frech. Nat schämte sich sichtlich für
seine Frau.
    »Delia muß immer niesen«, verkündete Tildy zu allem Überfluß mit
piepsender Stimme, und diese Bemerkung löste noch mehr Gelächter aus.
    »Pssst!« ließ sich Nat wütend vernehmen. Doch dann betrat Reverend
Caleb Hooker die Kanzel.
    Die Kanzel ragte hoch über die Bänke auf und war halbrund. Eine
geschnitzte Schallmuschel sollte der Stimme des Pfarrers Resonanz verleihen,
aber Caleb hätte mit seinem klangvollen Bariton keine Probleme gehabt, auch so
gehört zu werden.
    Zum Gottesdienst am Sabbat gehörten Gebete, Lieder, Psalmen und
Lesungen aus der Bibel. Zwei Stunden waren bereits vorüber, aber noch eine
ganze Stunde lag vor ihnen. Und das war erst der Morgengottesdienst. Nach dem
gemeinschaftlichen Essen nebenan im Gemeindesaal des Pfarrhauses würden noch
zwei Stunden der Gottesverehrung folgen, obwohl sich dann die Bänke erheblich
geleert hatten.
    Delia juckte das Gesäß, und sie rutschte auf
der Bank unruhig hin und her. Das trug ihr sofort wieder ein Stirnrunzeln von
Nat ein. Sie unterdrückte einen tiefen Seufzer, denn sie wußte, auf der
Heimfahrt würde er ihr zu allem Überfluß wortreiche Vorwürfe machen, die wie
immer damit endeten, daß er feststellte, Mary hätte so etwas nie getan.
    Caleb räusperte sich, drehte die Sanduhr um
und begann die Predigt. Delia hörte nur auf den Klang seiner Stimme und
beschäftigte sich damit, die Mitglieder der Kirchengemeinde von Merrymeeting
zu beobachten, die alle mit der Müdigkeit kämpften und sich bemühten, stillzusitzen,
auch wenn es ihnen sehr schwerfiel.
    Cohen Hall, der Müller, war auch der Gemeindevorsteher. Er ging
mit einem Stock in der Hand den Gang auf und ab und weckte schlafende
Kirchgänger. Delia sah, daß er an diesem heißen Vormittag viel zu tun hatte.
Als sogar Sara Kembles Kopf auf ihren üppigen Busen sank und ein leises
Schnarchen zwischen ihren Lippen hervordrang, mußte Delia die Zähne
zusammenbeißen, um nicht zu kichern.
    Reverend Caleb kam auf das Thema »Sünde« zu sprechen. Er zitierte
sogar Bibelstellen über den Ehebruch, und siehe da, die Gemeinde wurde auf der
Stelle wieder munterer.
    In diesem Augenblick ging quietschend die Kirchentür auf, und alle
drehten wie auf Kommando die Köpfe. Delia jubelte unwillkürlich stumm auf.
    In der Tür stand Dr. Tyler Savitch. Er sah hinreißend und vornehm
aus. Er trug einen scharlachroten Gehrock, eine schimmernde Brokatweste und
eine moosgrüne Hose. Die Ärmel des Rocks waren mit Spitze besetzt, und das Hemd
unter der Weste war ebenfalls gerüscht. Die hohen schwarzen Reitstiefel waren
auf Hochglanz poliert.
    Obwohl sich alle Augen auf ihn richteten, blieb er ruhig stehen
und blickte sich langsam in der Kirche um. Erst als er Delia sah,

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